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23. Bluesfestival Luzern 2017

Üblicherweise wird das Festival am Vierwaldstättersee mit einem akustischen Set eröffnet. Dieses Jahr war dies die Aufgabe von Doug MacLeod, dem New Yorker Singer/Songwriter und Geschichtenerzähler aus Kalifornien, der dies auch mit Bravour meisterte und seine Songs mit Anekdoten und persönlichen Erlebnissen verknüpfte. Es war auch ein Lehrsstück in Bluesgeschichte, denn man begriff, wieso seinerzeit die elektrisch verstärkten Instrumente eingeführt worden waren. Der Lärmpegel war so hoch, dass es ohne diese und ohne Mikrofon unmöglich gewesen wäre, seine Musik zu hören und seine Texte zu verstehen. Abgesehen davon, dass es einigermassen unhöflich ist, während eines Auftritts pausenlos und laut zu plaudern, verstehe ich nicht, wieso man ein Konzert besucht, wenn man garnicht zuhören will. Mit Texasblues ging es dann lauter weiter. Die Sängerin und Gitarristin Carmen «Cookie» McGee und der Harper Birdlegg sorgten für einen ersten Höhepunkt. Sie brachten Songs mit den klassischen Themen Herz, Schmerz und Arbeit dar und wurden dabei grossartig unterstützt von den Eastside Kings.

Danach war Showtime, zunächst mit Annika Chambers und der Igor Prado Band. Viel Soul, etwas Funk und einem rockigen Ausklang. Sie überzeugte mit einer gewaltigen Stimme und einer beeindruckenden Erscheinung. Die brasilianische Gutelauneband würzte den Auftritt mit Showeffekten. Der Schluss des Abends gehörte Grady Champion, der seinen ersten Auftritt in der Schweiz hatte. Der ehemalige Boxer, DJ und Rapper spielt weder besonders gut Gitarre und auch seine Harmonikakünste halten sich in Grenzen, aber er ist eine sehr charmante Erscheinung und weiss einen Saal zum kochen zu bringen. Leider spielte er keinen seiner eigenen Songs, die durchaus interessante Texte haben, sondern bediente sich im Fundus der Blues Gassenhauer wie Shake Your Moneymaker, die er dann beinahe auf eine Viertelstunde ausdehnte und mit allerlei Showelementen und «Clap your hands» Aufforderungen ausschmückte. Immerhin, das Publikum war begeistert.

Die Eastside Kings waren am Freitag erneut dran und begleiteten den achtzigjährigen Classie Ballou, zum attraktiv vielseitigen Eröffnungsset des Abends. Der Gitarrist und Sänger aus Dallas kommt ursprünglich aus Louisiana und schüttelt locker sämtliche Spielarten des Blues und seiner engen Verwandten aus dem Ärmel und liefert interessante Varianten bekannter Titel ab, die unverkennbar von seinem eigenen Stil geprägt sind.

Ein Leckerbissen der ganz besonderen Art war der Auftritt der beiden Mikes. «Monster» Mike Welch und Mike Ledbetter hatten sich erst 2016 am Chicago Blues Festival näher kennengelernt und quasi auf der Stelle beschlossen ein Album einzuspielen, das den vielsagenden und in diesem Fall völlig passenden Titel Right Place, Right Time trägt und eine der besten Scheiben des Jahres ist. Das Zusammentreffen der beiden war sowas wie eine Sternstunde des Blues. Beide sind Ausnahmekünstler in ihrem Fach, beide haben bereits erfolgreiche Karrieren hingelegt und beide haben jede Formation, bei der sie mitspielten, entscheidend mitgeprägt, aber zusammen sind sie unwiderstehlich und lieferten in Luzern einen der besten Acts ab. Der Soul-und Gospelsänger Don Bryant musste ziemlich kurzfristig für Denise LaSalle einspringen, die leider krankheitshalber absagen musste. Er war aber keineswegs ein Ersatz, sondern zeigte ganz grosse Klasse mit seinem Memphis Soul, den er mit viel Emotionen rüberbrachte. Unter anderem spielte er seinen Smash-Hit I Can’t Stand The Rain, einer der vielen Titel, die er geschrieben hat und als dessen Urheber er den wenigsten bekannt ist.

Später am Abend konnte man im Casineum die Gewinner der Promo Blues Night 2017 des Bluesfestivals Basel und Finalist der Swiss Blues Challenge 2017 sehen: die Estella Benedetti Band, die mit ihrem attraktiven und modernen Blues und einem abwechslungsreichen Programm ihre Klasse bewies.

Der letzte Abend begann mit dem Auftritt des Roots Musikers Robert Kimborough Sr., der einen archaischen Blues zelebrierte, der mit einer hypnotischen Monotonie faszinierte, der man sich nicht entziehen konnte. Ganz anders der immer sehr zurückhaltend, fast schüchtern wirkende Texaner Anson Funderburgh mit seinen Rockets, der ein Feuerwerk an Gitarrenkunst und Abwechslung zündete. Unterstützt wurde er vom Keyboarder, Handharmonika- und Harpspieler Christian Dozzler, einem österreichischen Blues Urgestein und dem singenden Schlagzeuger Big Joe Maher, der nach eigenem Bekunden das erste Mal in Luzern spielen konnte und einen sehr guten Eindruck hinterliess.

Die Kid Ramos Band, verstärkt durch den niederländischen Harpstar Big Pete lieferte klassische Klänge auf hohem Niveau und hatten am Abend zuvor schon im Casineum für prachtvolle Stimmung bis in die Morgenstunden gesorgt.

Mit Partystimmung nach Louisiana Art ging, wie es in Luzern Tradition ist, das Festival im Panoramasaal zu Ende. Diesmal war es Terrance Simien & The Zydeco Experience, die eine fantastische Show bot und dabei weit über das hinausging, was üblicherweise bei Zydeco Sets geboten wird. Da wurde nicht nur der Wohlfühl-Handorgel Sound gespielt, sondern die ganze Breite der musikalischen Vielfalt Louisianas zu hören und mit der Verteilung der Perlenketten brachte Terrance Simien einen Hauch von Mardi Gras in den Saal. Schliesslich liess es sich Guido «Mojo» Schmidt, Ehrenpräsident und Gründer des Festivals, nicht nehmen, eine Runde Waschbrett zu schrubben.

Der zufriedener Präsident Martin «Kari» Bründler kommentierte in seinem Schlusswort: Der Blues lebt. Niemand zweifelt daran, am allerwenigsten die mehr als zehntausend Besucher, die das Festival genossen hatten.

Fotos des Festivals von Dragan Tasic findest du hier auf seiner Website.