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Walt Baumgartners Aussprachetraining

Walt Baumgartner ist bekanntlich seit einiger Zeit eine feste Grösse in der Schweizer Bluesszene. Der Bandleader von Walt’s Blues Box und Mitglied des Duos Acoustic Blues Drifter ist zugleichOrganisator der Jam-Nights im Albani in Winterthur. Das heisst: Der Mann hat ein reichhaltiges Resumée, was Auftritte angeht und CD-Veröffentlichungen seit 1996. Sein Bluesharp-Spiel ist etwas vom Besten, was man in der Schweiz hören kann, und wenn er gemeinsam mit den gut eingespielten Kollegen der Blues Box losfetzt, ist gute Stimmung garantiert.

Doch so gut die Band auch spielte, so sehr seine Harp auch ein feuriges Solo nach dem anderen spielte, immer wieder wurde kritisiert (auch schon auf diesen Seiten), dass Walt Baumgartner einen ostschweizer Akzent in seiner englischen Aussprache habe. Vor drei Jahren wurde klar: dem Umstand sollte Abhilfe geschaffen werden. Ein Bluessänger, der sich seiner Englisch-Aussprache auch aufgrund der Kritiken nicht völlig sicher ist, ist verunsichert, tritt auch nicht sicher auf. Das Ziel blieb es zudem weiterhin, möglichst authentischen Blues zu spielen, also musste etwas getan werden.

Der einfache Weg wäre vielleicht gewesen, einen Sänger oder eine Sängerin mit Muttersprache Englisch anzuheuern, aber so etwas verschiebt die gesamte Dynamik einer gut eingespielten Band. Ausserdem wollte Walt natürlich weiterhin singen. Und Blues auf Deutsch oder Mundart singen? War nicht sein Ding. Was also tun mit dem Schulenglisch? Die Lösung: es musste ein Sprachtrainer gesucht werden. Walt Baumgartner schaltete eine Anzeige im Internet und siehe da: eine in Kalifornien aufgewachsene Mexikanerin, nun wohnhaft in der Schweiz, meldete sich -  die ehemalige Lehrerin Yolanda Inauen, die sich als Glücksgriff erwies. Mit ihr arbeitet Walt nun seit 3 Jahren erfolgreich zusammen.

Das Training besteht aber nicht darin, bühnenmässige Aussprache wie ein Schauspieler zu kriegen, sondern Walt ging das an wie das Erlernen eines Instruments: Theorie ist das eine, aber verlass Dich auch auf die Ohren und imitiere, was Du hörst. Das Duo arbeitete Songtexte durch, die Walt geschrieben. Die Lyrics sollen schliesslich wie original amerikanische Sprachtexte ausgesprochen werden. Dann die Arbeit am eigentlichen Gesang, wie passen die Wörter und die Musik zusammen? Yolanda Inauen arbeitet nicht nur die einzelnen Laute durch, es geht auch um die Wörter im gesamten Kontext der Songs, natürlich grammatikalisch immer geprüft,  Gesangs- und Sprachtraining gehen Hand in Hand.

Viele Aufnahmen werden im Übungsraum gemacht, diese werden dann hin und her geschickt. Telefonische Übungen oder gezielte Nachfragen lösen dann wieder persönliche Treffen ab, wo die Details intensiv trainiert werden. Im Interview erzählte Walt, dass sie manchmal eine halbe Stunde an einem Wort feilen, bis es richtig sitzt. Dieses Training kommt seinem Anspruch zugute, authentischen Blues so zu spielen, wie amerikanische Musiker, wie seine Vorbilder, die Meister des Blues. Aber es geht nicht nur darum, museal den Südstaatendialekt Schwarzer Musiker der Zwischenkriegszeit einzuüben, es geht um eine lebendige Sprache, um eine Ausdrucksmöglichkeit, denn Walt will ja wie Walt singen, nicht wie Little Walter. Und deswegen spielt es keine Rolle, dass die Trainerin nicht aus Mississippi stammt, oder dass sie als Frau eine andere Stimmlage hat. Für Walt ist sie der Schlüssel zu einer authentischeren Aussprache, und ein Weg, auf dem viel neues zu lernen ist.

Das Training ist erfolgreich. Walt singt auf den jüngeren Veröffentlichungen mit neuer Verve, mit mehr Kraft und Überzeugung, und der Akzent ist weitgehend neutralisiert. Der Weg des Everyday-American-English-Trainings bei Yolanda Inauen hat für Walt Baumgartner und Walt’s Blues Box zu einem noch authentischeren, aber auch eigen definierten Sound geführt. Dieser erfolgreiche Weg führte auch zu einer intensivierten Bühnenpräsenz. Die Qualität der Schweizer Bluesszene und mittelfristig auch ihre internationale Präsenz lässt sich durch solche Initiativen verbessern.