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Sierre Blues Festival 2010 Teil 3

Philipp Fankhauser gehört zum Besten, was die Schweizer Blueslandschaft bietet. Wie immer die Umstände des leider zu früh verstorbenen Johnny Copeland gewesen sind, für ihn war der Verlust schmerzhaft, was er auch während seines Auftritts immer wieder formuliert. Die Tragik des verlorenen Freundes und Mentors wird natürlich nicht dadurch kleiner, dass er sich vielleicht gerade dadurch selbst gefunden hat. Spätestens seit seiner Rückkehr aus den USA aber hat er sich und seinen Stil weiter entwickelt. Aus der Schweizer Bluesband aus Thun ist ein Musiker hervorgegangen, der sich jederzeit mit internationalen Stars messen darf. Das zeigt sich nicht zuletzt in den diversen Preisen, mit welchen er in den letzten zwei Jahren ausgezeichnet worden ist. Seine letzte CD wurde mit Gold belohnt und war mit für ein Bluesalbum bemerkenswerten 21 Wochen in den Charts. Ausserdem erhielt sie eine Nennung im 16. Billboard World Song Contest. 2004 ist er als erster Schweizer Bluesmusiker am Chicago Blues Festival aufgetreten.

Die aktuelle Band mit Angus Thomas am Bass, Hendrix Ackle an den Keys, Marco Jencarelli an der Gitarre und Tosho Yakkatokuo am Schlagzeug ist hervorragend zusammen gestellt wirkt als Ganzes ausgereift. Sie spielen meisterlich auf der ganzen Skala, die der Blues zu bieten hat und es gelingen auch Songs mit bluesfremden Elementen. Philipp Fankhauser glänzt vor allem mit seiner Stimme, die rauh und swampy, aber auch zärtlich und einschmeichelnd klingen kann, besonders stark sind aber seine Balladen. Wer bei Johnny Copelands I Got A Love nicht ein warmes Herz kriegt und den Tränen nahe ist, muss komplett gefühllos sein. Gelebter Blues! Aber auch sein Gitarrenspiel ist bemerkenswert. Keine Mätzchen, kein Kreischen, kein Notenstapeln, sondern Zurückhaltung, genau passend in jedem Song. Dazu eine überzeugende Persönlichkeit, die auch mit dem Publikum umgehen kann. Ganz grosse Klasse!

Als Prinzessin des Rockin‘ Gospel Blues wird Sharrie Williams gerne bezeichnet. Die im buchstäblichen, wie übertragenen Sinne schwergewichtige Sängerin aus Michigan bedient so ziemlich alle Klischees einer Bluessängerin: bescheidene Jugend, Kirchenchor, frühe Auftritte, Drogenprobleme und deren Überwindung durch den Glauben. Daraus geworden ist eine Künstlerin, die in der Tradition ihrer grossen Vorgängerinnen anknüpft und ihren eigenen Stil gefunden hat. Mit einer Energie und gleichzeitig eleganten Grazie wirbelt sie über die Bühne und hat nach den ersten drei Songs das Publikum nicht nur in der Tasche, sondern bringt auch den steifsten Zuhörer zum Mitmachen. Natürlich kennen wir alle die Tricks, den Saal beziehungsweise den Platz zum Händeklatschen und so weiter zu bewegen, manchmal wirkt es aufgesetzt, zuweilen ist es lästig. Sharrie Williams offensichtlich natürlicher Charme und ihr kaum zu bändigendes Temperament bringen es aber fertig, dass man Lust verspürt, ihren Aufforderungen zu folgen, man wird förmlich ein Teil ihrer Show. Dazu kommt eine gewaltige Stimme, die ergreift. Sie bedient sich dabei der Mittel, die sie in der Kirche gelernt hat und verwandelt zeitweise das Konzert in einen Gottesdienst. Dabei wirkt alles natürlich und selbstverständlich und ist mit einer Wärme und auch Fröhlichkeit vorgetragen, wie man selten erlebt. Ihre Band aus Lars Kutschke, (Gitarren); Pietro Taucher, (Keyboards und Gesang); Marco Ray Franco, (Bass) und Mark Bryant, (Schlagzeug), die als The Wiseguys auftreten, unterstützt sie dabei hervorragend, wobei es mir nicht, wie üblich gelang, mich auf die einzelnen Interpreten zu konzentrieren, so sehr hatte mich Sharrie Williams‘ Performance in ihren Bann gezogen. Unbedingt bei nächster Gelegenheit erleben.

Nur rund zehn Jahre jünger als Canned Heat sind die Fabulous Thunderbirds. Auch sie treten nicht mehr in der originalen Besetzung auf und mit Jimmy Vaughan hat ohne Zweifel ein prägendes Gründungsmitglied die Band verlassen (1990) Danach lösten sich die Fabulous Thunderbirds bis zur Reunion 1993 auf, die von Kim Wilson initiiert wurde. Im Gegensatz zu Canned Heat wirkten die Thunderbirds aber unverbraucht und weniger in der Vergangenheit verhaftet als jene, selbst wenn sie auch alte Titel wie zum Beispiel Tuff Enough spielten, aber das gehört ja auch dazu. Nun ist Kim Wilson ein charismatischer Front man und dazu einer der besten Harpspieler. Beeindruckend, wie er offenbar so sehr mit oder durch die Harmonika atmet, dass er die Noten bei Bedarf ohne Unterbruch spielen kann und das mit einer enormen Kraft. Nicht umsonst spielte er die Little Walter Harp Passagen im 2008 erschienenen Film Cadillac Records und wurde für einen Grammy nominiert. Dazu ist er ein guter Sänger und begabter Unterhalter. Er sieht etwa so aus, wie man sich einen Texasblueser vorstellt.

Die aktuelle Band besteht aus Kim Wilson, (Gesang, Harmonika); Johnny Moeller, (Gitarre); Mike Keller, (Gitarre); Randy Bermudes, (Bass) und Jay Moeller, (Schlagzeug) Ihre Americana Music - Blues; Bluesrock; Rock und Soul - ist modern, frisch und dynamisch. Die meisten Songs stammen aus der Feder von Kim Wilson. Gute Texte in der rauhen Poesie des Blues. Hier schreibt einer Songs, der das Wesen des Blues tief in sich hat und so werden sie auch vorgetragen, voller Emotionen und gleichzeitig physisch packend, so dass man nicht still stehen kann.