Paul Oliver: Conversation with the Blues
Der Brite Paul Oliver ist ein bekannter Autor der Bluesliteratur. Von ihm stammen Werke wie The Story of the Blues von 1998 oder Blues Fell This Morning: Meaning in the Blues von 1990. 2005 erschien sein jüngstes Werk Broadcasting the Blues: Black Blues in the Segregation Era. Sein Einstieg in die Blues-Schriftstellerei war der hier vorliegende Band Conversation with the Blues, der erstmals 1965 (damals mit begleitender LP) erschien und heute als zweite Edition beim prestigeträchtigen Verlag Cambridge University Press erschienen ist. Der Band kostet auch bei Amazon die eindrucksvolle Summe von $100.-, was auch herunter gesetzt auf $92,40 noch eine schöne Stange Geld ist.
Was kriegt man dafür? Eine Neuauflage von 1965? Die Verantwortlichen beim Verlag scheinen in dem Werk einiges gesehen zu haben, das sich lohnt, erneut aufzulegen und das diesen Preis rechtfertigt. Aber was?
Paul Oliver - . Conversation with the Blues : With CD / Paul Oliver, Illustrated with photographs by the author - . Cambridge: Cambridge University Press, 21997 - . Hardcover, 224 S. Fotos, 28,5 x 23,5 x 2,2 cm - . ISBN-10: 0-521-59181-3; ISBN-13: 978-0521591812
Das Buch bringt neben schönen Photos Aussagen, Statements der interviewten Bluesmusiker in Chicago, aber auch in anderen Zentren der Musik. Es sind weniger Interviews als Transkriptionen von Aussagen. Was das Buch einzigartig macht, was es zu einem Zeitdokument macht, das ist das frühe Datum. Obwohl 1965 ein frühes Datum ist, wurden die Gespräche bereits 1960 geführt, als der Autor (gemeinsam mit Valerie Oliver, offenbar seiner Frau) in der Zeit zwischen Juni bis September 1960 durch die USA reisten und diese Gespräche führten. Mit anderen Worten, dies sind Gespräche aus einer Zeit vor der Bürgerrechtsbewegung, als die USA noch ein Apartheitsstaat waren. Musikalisch war dies die Zeit vor der British Invasion, als Blues eine rein der Schwarzen Bevölkerung vorbehaltene Kunstform war: Schwarze Musiker spielten für ein Schwarzes Publikum ohne das Bewusstsein, eine Kunstform auszuüben. Sie spielten einfach Musik.
Durch das frühe Datum bestärkt das Buch zwar das Klischee des blinden armen Bluesman, aber da dies den Tatsachen entsprach ist es eben nicht nur ein Klischee. Viele der Aussagen sind lakonisch, berichten von Gewalt, Rassenhass, Armut, Trunkenheit, all den negativen Aspekten im Leben eines Bluesman. Aber viele schildern auch eine Weltsicht, die heute, 40 Jahre nach der Ersterscheinung schlicht historisch ist. Das Werk wird durch die 40 Jahre Distanz zu einem Quellenwerk, zu einem Zeitdokument. Wer sich für die Geschichte der Blueser interessiert, wer ein Interesse an der Geschichte der Rassenbeziehungen hat, für den ist dies ein hoch interessantes Buch.
Neben den aufgeschriebenen Nachrichten sind auch die auf der CD enthaltenen Gespräche interessant. Hier hört man die Dialekte der Interviewpartner und irgendwelche Episoden ihres Lebens, das mitunter von einem mitteleuropäischen Erfahrungshintergrund so weit entfernt scheint wie die abgewandte Seite des Mondes. Die Fotos des Autors bestärken diesen Eindruck: Hier wird ein Amerika gezeigt, das verloren oder überwunden ist. Auf jeden Fall ist dies die Vergangenheit, aus der der Blues entstand. Wie weit die Reise ist von der Parchman Farm oder der Stowall Plantation bis zu B.B. Kings Ehrendoktor oder dem Winterthurer Salzhaus, das macht dieses Buch deutlich.
Bleibt also zum Schluss die Frage, mit wem Oliver diese Gespräche führte. Ich habe die Liste aller Gesprächspartner abgeschrieben, mit denen sich Oliver unterhielt. Es sind dies die folgenden Künstler:
Sam Ayo, Sweet Emma Barrett, B. K. Turner (alias Black Ace), Hillary Blunt, Harrison Vernon (Boogie Woogie Red), Eddie Boyd Blind James Brewer, Henry Burns, Henry Brown, James Butch Cage, Bo Carter, Gus Cannon, Sam Chatman, Lee Collins, James Cotton, Jesse Crump, Johnny Watson (Daddy Stovepipe), Walter Davis, Blind Arvella Gray, James D. Harris, Vernon Harrison, Robert Henry, John Lee Hooker, Sam «Lightnin'» Hopkins, Melvin «Lil Son» Jackson, «Little» Walter Jacobs , «John Henry» (Pseudonym eines Häftlings der Parchman Farm), Edith Johnson, James «Stump» Johnson, Lonnie Johnson, Mary Johnson, Sylvester Thompson (Sil Johnson), Eddie Kirkland, J.B. Lenoir, Mance Limpscomb, Robert Junior Lockwood, Jewell Long, Charles Love, Jasper Love, Albert Luandrew (Sunnyland Slim), Norman Mason, J.D. Miller, Eurreal Montgomery, Herman Alexander Moore, Muddy Waters, Willie Nix, James Oden, Marion Oldham, Rufus Perryman (Speckled Red), Edwin Pickens, Billie Pierce, Joseph la Croix Dédé Pierce, Sam Price, Ernest Roy, James Oden (St. Louis Jimmy), Brother John Sellers, Will Shade, James D: Harris (Shaky Jake), Robert Curtis Smith, Otis Spann, Victoria Spivey, Roosevelt Sykes, Floyd Taylor, Percy Thomas, Willie B. Thomas, Charles Thompson, Henry Townsend, Wade Walton, Emma Williams und Albert Wynn.