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Joe Bonamassa im Zürcher Hallenstadion

Das Konzert war für 19:00 Uhr angesetzt, im Saal wurde es aber schon einige Minuten vor Sieben Uhr dunkel. Die Band bezog ihre Plätze, während am Band ein klassischer Chicago-Blues-Titel von Muddy Waters gespielt wurde. Mit helvetischer Pünktlichkeit gingen dann um sieben die Schweinwerfer an, während im Saal noch Leute ihren Platz suchten. Als um 19:00 Uhr dann die Band zu spielen begann, brach ein Rockgewitter los, das mit leichten «Aufhellungen» bis 21:15 aufs Publikum einprasselte, und in dem sich Bonamassa relativ einseitig als Rockgitarrist der harten Sorte zeigte.

Unterstützt wurde er dabei von einer Band, die seit Jahren mit ihm spielt, und die auch im Grammy-nomminierten Album Live at the Greek Theater mit ihm spielte. Darin spielte Anton Fig das Schlagzeug, Michael Rhodes den Bass und der dieses Jahr 70jährige Reese Wynans die Tasten. Daneben gab es eine Minimal-Horn-Section mit Lee Thornburg an der Trompete und Paulie Cerra am Saxophon. Thornburg zeichnet auch verantwortlich für die Arrangements der Hörner, die allerdings erst im fünften Song erstmals akustisch wahrzunehmen waren. Als Background-Sängerinnen hatte der Amerikaner zwei Australierinnen dabei: Mahalia Barnes und Jade MacRae. Das bedeutet, dass im Vergleich zum Greek Theater nur der zweite Gitarrist Kirk Fletcher, der zweite Saxophonist Ron Dziubla und die dritte Sängerin Juanita Tippins fehlten.

Joe Bonamassa hat wunderbare Musiker um sich geschart, aber im Hallenstation schien es, als wüsste er sich dieser nicht zu bedienen. Denn bei allen unbestreitbaren Fähigkeiten an der Gitarre und in reduziertem Masse am Mikrophon: Bonamassa ist kein Arrangeur oder kein Bandleader, denn es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bevor in einem Song ein anderes Solo als jenes der Gitarre zu hören war, und die Arrangements wurden – zumindest mit einem Sitz nicht genau vor der Bühne – sehr schnell unangenehm. Nun ist das Hallenstadion keine Elbphilharmonie, was die Akustik angeht, aber die Arrangements gestern funktionierten nach dem Motto: «Zuviel ist nicht genug». Und wenn Gitarre, 2 Sängerinnen, die Hammond B3 und die beiden Bläser dieselben Noten spielen, dann kann man auch nicht dem Raum die Schuld geben, wenn sich alles überlagert und als Tonbrei rauskommt.

Von den rund 20 gespielten Titeln waren die ersten vier reine Rocksongs mit allem, was Haus und Hof hergaben: Volle Power, volle Zerre, volle Dröhnung. Die Choreographie aller Titel war gleich: hartes Rockriff in den Strophen, ausgedehntes Solo (im zweiten Song mit Slide), weitere Strophe, Abschlussolo. In jedem Solo liess Bonamassa seine jeweilige Gitarre wiehern wie eine Herde Mustangs und die Overdrive-Klänge kamen perfekt übers PA-System, aber gleichwohl reagierte das Publikum überwiegend kaum auf Bonamassas Riffparade, sondern schien die Titel mehr zu erduldeten, stets in der Hoffnung auf feiner abgestufte Klänge. Der Applaus war höflich, abwartend.

Es folgte ein zweiter Teil mit tatsächlich etwas bluesigeren Songs, und sofort reagierte das Publikum enthusiastisch auf Never Make Your Move to Soon und Angel of Mercy holten offensichtlich das Publikum ab. Die beiden Titel rundeten die erste Hälfte des Konzerts ab, und so trat Bonamassa ans Mikrophon und dankte dem Publikum für den Besuch des Konzerts an einem Sonntag (er meinte, beim Soundcheck hatte er noch Zweifel, ob sich die Halle füllen lässt), dann stellte er die Band vor und begann den zweiten Teil des Konzertes, der sich aber vom Anfang zunächst kaum unterschied. Erst gegen Schluss der Veranstaltung gingen dann die Bläser und Sänger hinter die Bühne und Bonamassa spielte im vertrauten Trio-plus-Keyboard-Format. Sofort wurde dieser Teil transparenter und ansprechender, es gab sogar ein «clean» gespieltes Intro auf der Telecaster. Zum Schluss gab es eine einzige Zugabe: B.B. Kings (den Bonamassa als seinen «Mentor» bezeichnete!) Schmusetitel Hummingbird, aber auch dieser wurde nicht mit Zwischentönen gespielt, sondern mit Rockriffs niedergebügelt und seines Charakters beraubt.

Joe Bonamassa ist ein grossartiger Gitarrist, er ist der Erbe des Britischen Bluesrock-Stils, auf den Cream, Led Zeppelin und AC/DC ihren Erfolg gründeten. Er hat das Rockriff und die wiehernde Gitarre perfekt drauf. Aber muss er diese deshalb in jedem Song einsetzen? Zudem fragt man sich als langjähriger Beobachter: wo bleibt ein Slow Blues wie Blues Deluxe, wo bleibt das Material von Live at Red Rock: Muddy and the Wolf, wo bleibt der akustische Blues, den er in Live in Vienna zeigte? Und nach 26 Jahren als Power-Rock-Gitarrist muss man sich auch fragen: wann beginnt die Reifung von Herrn Bonamassa vom Gitarrist, der die ultimative Phantasie jedes vierzehnjährigen Headbangers auslebt? Bisher beschränkt sich die musikalische Veränderung auf zusehends fettere Arrangements.