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Eric Clapton sollte sich zur Ruhe setzen

 

Der Meister packt eine Unzahl bekannter Titel ins Programm, viele mit Gastauftritten seiner musikalischen Partner der letzten Jahre, und er spielt diese Songs bestimmt alle ausgezeichnet, mit perlenden Soli und begleitet von seiner seit Jahren eingespielten Band. Und wenn das auch alles hochklassig sein mag, so könnte Eric Clapton gleichwohl langsam die Pensionierung ins Auge fassen, denn in seinen Live-Auftritte ist eine komische Entwicklung festzustellen. Seine Auftritte werden zum rituellen und wenig kreativen Wiederholen des immer Ähnlichen: Clapton führt sich selbst auf.

Um dies gleich vorweg zu nehmen: dies soll kein Beitrag sein, in dem Eric Clapton gebasht werden soll, Eric Clapton hat seine unzähligen und wohl bekannten Verdienste und seine Musik zu hören ist nach wie vor begeisternd und grossartig. Der inzwischen siebzig Jahre alte Brite hatte bekanntlich einen langen Weg zurück zu legen, um zur scheinbar entspannten und ausgeglichenen Person zu werden, die er heute ist. Das ist ihm ja auch zu gönnen. Doch aus Sicht des Musikkritikers (und im Bewusstsein von Georg Kreislers Aussagen über diese Betätigung) muss es auch erlaubt sein, darauf hinzuweisen, das Eric Clapton zwar viele Konzerte spielt, dass diese aber trotz musikalischer Perfektion im Bereich emotionaler Tiefe zu wünschen übrig lassen: Seit Jahren zelebriert E.C. mit derselben Band ähnliche Songs, ob man ein Konzert vor zehn Jahren oder vor zwei Wochen gehört hat, die Unterschiede sind kaum festzustellen.

Sein Studioalbum Album Old Sock von 2013, das wir auf diesen Seiten als ansprechendes und abwechslungsreiches Album bewertet haben, war kreativ und voller Experimente, musikalisch wie auch stimmlich. Der jüngste Konzertmitschnitt Slowhand at 70, ein Album, das noch nicht erschienen ist, verspricht schon nur bei Betrachtung der Setlist wenig von diesem Geist zu haben. Er bringt darin die bewährten Showelemente: eine Prise akustische Referenz an Unplugged und seine frühen Vorbilder  Key To The Highway und später noch Nobody Knows You When You’re Down And Out, dann etwas Derek & The Dominoes mit Tell The Truth und später Layla und Let It Rain. I Shot The Sheriff weil es die Nummer 1 war und seine musikalische Vielseitigkeit unter Beweis stellt, von den grossen Hits folgen noch Crossroads und Cocaine. Dazu gibt es zwei Bluestitel mit Hoochie Coochie Man (mit Background-Sängerinnen, das Bootleg auf Youtube klingt grauenvoll) und Driftin’ Blues. Natürlich gibt es einen kleinen Balladenteil mit You Are So Beautiful und Can’t Find My Way Home sowie Tears In Heaven und Wonderful Tonight. Die beiden fehlenden Titel sind das rockige Pretending vom Album Journeyman. Als Abschluss gibt es den damit vergleichbaren Titel High Time We Went.

Mit dabei sind zahlreiche Gastauftritte der Musiker, die in den vergangenen Jahren mit Clapton gemeinsam Tourneen spielten: Derek Trucks, John Mayer, Jimmie Vaughan und Doyle Bramhall II, der zumindest an diesem Abend befremdlicherweise so aussieht wie Clapton selbst vor 40 Jahren mit Afro und Schnauzbart, wie Youtube zeigt.

Eric Clapton tritt mit diesen Musikern seit Jahren auf, er spielt diese Titel seit Jahrzehnten (wenn auch nicht immer die genau gleichen) und er bevorzugt diese üppigen Arrangements, gerne auch mit Background-Sängerinnen. Das ist alles auch schon als Konzertmitschnitt erschienen, bereits One More Car One More Rider von 2002 folgte diesem Schema. Die hier als Gastauftritte gebrachten alten Freunde kennen den Weg in die Albert Hall auch schon auswendig und wenn sie Clapton nicht dort unterstützen, dann an einem der «Crossroads Guitar Festivals». Das hat man alles in den jüngsten Jahren mehrfach sehen können.

Alle diese Auftritte sind Produkte einer perfekt eingespielten Maschinerie, so wie Elvis Presley sie hatte oder Frank Sinatra. Eric Clapton ist ein Superstar, ein Weltstar von einem Format wie es nicht mehr als eine Handvoll gibt, da überlässt man nichts dem Zufall, aber die Konzerte lassen einen emotional unberührt zurück. Eric Clapton war nie ein Anhänger der Bühnenshow, er stand immer schon relativ regungslos auf der Bühne, aber seine Magie steckte auch darin, dass man den Eindruck hatte, er empfinde diese Gefühle, über die er singt, im Moment, da er es tut. Eric Clapton war stets als reale Person auf der Bühne und auf dieser Authentizität beruht seine Relevanz.

Das ist nicht mehr auszumachen. Der Mann dudelt seine Liedchen runter, hat seine Freude am Publikum, das ihn ebenso feiert wie sich selbst, aber als Person, als Mensch mit starken Gefühlen scheint er nicht mehr auf der Bühne zu stehen. Seine Konzerte sind ein Job, mehr nicht. Im Prinzip könnte Clapton auch ein Engagement in Las Vegas annehmen, wie es Celine Dion, Elton John vor ihm getan haben und es Rod Stewart im Moment tut. Eric Clapton ist das geworden, was man früher «kommerziell» genannt hat, ein Musiker, der so viel Geld reinholt, wie es im Moment möglich ist, der aber sein musikalisches Sendungsbewusstsein verhökert hat für den enormen Erfolg.

Doch Clapton ist nicht Celine Dion. Er versteht sich als Erbe von Bluesmen wie Robert Johnson und B.B. King, und damit zählt er eigentlich zur Gegenkultur. Zudem ist er ein Trendsetter, ein Innovator, kein Interpret wie die Kanadierin mit der Goldstimme. Eric Clapton hat in vielerlei Hinsicht die Rock- und Bluesmusik geprägt, doch jetzt ist er zum Interpreten seiner eigenen musikalischen Persönlichkeit geworden. Eric Clapton führt Eric Clapton auf, so fühlen sich seine Konzerte seit geraumer Zeit an.

Dies tut er natürlich sehr erfolgreich. Er spielt vor den grössten Hallen, macht Welttournee auf Welttournee und seine Konzerte sind Kassenschlager. Clapton arbeitet hart für seinen Erfolg, der ihm natürlich zu gönnen ist. Zudem unterstützt er mit dem so gemachten Geld ja auch seine wohltätigen Organisationen, das ist alles gut und richtig. Doch Clapton verliert so die musikalisch Relevanz, die er jahrzehntelang hatte. Und wenn er die Gitarre vorerst auch nicht an den Nagel hängen wird, so wird es für diese jüngste Phase seiner Karriere auch kein Drama sein, wenn er es eines Tages tut.