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9. Vocal Blues Night

Mit Vorbehalten hätten die SängerInnen reagiert, als sie das Motto der 8. Vocal Night 2014 Ende letzten Jahres bekannt gegeben habe, so Evelyne Péquignot zu Beginn des Abends. Blues sei doch etwas für ältere Semester, sei per se traurig, ausserdem klinge alles gleich. Den meisten sei diese Musik kaum bekannt gewesen. Schliesslich konnte die Sängerin und Gesangslehrerin ihre Schüler überzeugen und sogar eine Begeisterung für ihre Idee und den Blues erreichen. Alle befassen sich ja schliesslich mit der einen oder anderen Form der zeitgenössischen Popmusik, die letzten Endes aus dem Blues hervor gegangen sind. So gab es am 20. September 2014 eine spezielle Vocal Blues Night mit 27 Teilnehmern, davon nur drei Männer, die in zwei Blöcken die Songs vortrugen, welche sie sich ausgesucht hatten. Alle waren unter dreissig Jahre alt. Man konnte gespannt sein.

Die Vocal Night ist weder eine Casting Show, noch ein Wettbewerb. Er soll den SchülerInnen die Möglichkeit geben, Songmaterial zu erarbeiten, sich auf den Auftritt vorzubereiten und schliesslich vor Publikum aufzutreten und zu bestehen. So ein wenig wie der Schlussball einer Tanzschule. Letzten Endes ist es ja ein Ziel aller SchülerInnen, sich vor Publikum zu präsentieren. Ein wichtiger Schritt in der Ausbildung. Deshalb ist dies auch keine Wertung einzelner Interpreten, obwohl es durchaus Unterschiede gab.

Blues ist einfache Musik. Je nach musikalischer Vorliebe und Bildung wird dies bewundernd oder auch etwas von oben herab festgestellt. Tatsächlich ist Blues in der Regel melodisch und rhythmisch nicht sehr komplex. Es ist jedoch genau diese Eigenschaft, die es ermöglicht hat, all die Stilarten zu entwickeln, welche die moderne, westliche, populäre Musik beinhaltet. In der Kunst ist die Reduktion aufs Einfache  ein Zeichen künstlerischer Reife. Der Blues bringt diese quasi von Haus aus mit. . .

Blues ist aber immer auch: eine Geschichte erzählen. Das können Geschichten über die viel zitierten Leiden der schwarzen Bevölkerung zur Zeit des späten 19. Und frühen 20. Jahrhunderts sein, aber auch «moderne» Probleme wie die Finanzkrise; Klagen über Probleme mit dem anderen Geschlecht; existentielle Probleme oder andere Kümmernisse. Daneben gibt es die bacchantische Form: Lebenslust, Party, Freude am Leben, am Sex, am Tanzen. All die Gefühle, die damit verbunden sind, sollten glaubhaft und intensiv ausgedrückt werden und da zeigt sich: Blues zu singen, ist gar nicht so einfach, wie mancher sich das vielleicht vorstellt.
Begleitet wurden die «Blues Stars 2014» von einer soliden Band aus Daniel Waech (kb), Markus Werner (g), Rainer Schudel (b), Robert Flury (har) und Stephan Schätti (dr). Sie meisterten die Aufgabe sicher, sich rasch auf 27 unterschiedliche Songs einzustellen, die Schlag auf Schlag über die Bühne gingen.
Als Intro sang die Meisterin selbst und die SchülerInnen bildeten einen Chor. Zusammen trugen sie eine stimmige Version von Same Old Story vor. Es folgte ein bunter Reigen von bekannten Standards, aber auch neueren Songs. Mississippi John Hurts klassischer Richland Woman Blues machte den Anfang. Dann gab es unter anderem die Gassenhauer Early In The Morning, Hoochie Coochie Man (bzw. Woman), Thrill Is Gone, Great Balls Of Fire, I Just Wanna Make Love To You, I’d Rather Go Blind, den Fankhauser Song Too Little Too Late, zwei Keb Mo Titel.

Alle Titel wurden mit grossem Enthusiasmus interpretiert. Man hatte auch keine Scheu, sich unbekümmert Songs zu nähern, bei welchen selbst gestandene Interpreten die Backen aufblasen, weil sie entweder als Original oder als Cover so grosse Erfolge hatten, dass eine bestimmte Interpretation zum Standard geworden ist, an dem jede weitere Aufführung gemessen wird. I’d Rather Go Blind oder The Thrill Is Gone sind solche Beispiele.

Grundsätzlich meisterten alle ihre Aufgabe gut, gesangstechnisch allemal. Einige packten ihren Auftritt in eine kleine Show. Ein wichtiger Aspekt, denn unterhaltend soll ein Auftritt ja ebenfalls sein. Defizite gab es da und dort beim oben erwähnten Ausdruck der Gefühle, welche die Songs beinhalten. Für einen ersten Auftritt waren die Leistungen in jedem Fall bemerkenswert. Respekt vor ihrer Arbeit und vor der Leistung des Coaches, Evelyne Péquignot.

Aufgefallen sind uns I Got Trouble mit Alisia D’Alauro, These Four Walls mit Manuel Kaufmann, That’s Not Love mit Rebecca Bruder, I’d Rather Go Blind mit Michèle Erzer, Don’t Cry For Louie mit Andrea Schaub und Please Mr. Jailer mit Nora Wagner.

Kann gut sein, dass diese aussergewöhnliche Vocal Night dazu beiträgt, neue Bluesfreunde zu gewinnen. Die Reaktion des mehrheitlich jungen Publikums war jedenfalls ermutigend. Bravo Evelyne Péquignot!