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Gregg Allman Low Country Blues Rezension

Burnett tut’s für Gregg

Die neueste CD von Gregg Allman mit dem Titel Low Country Blues ist ein tolles Stück Arbeit. Und wenn man sich einen Gefallen tun will, tut man gut daran, diese CD zu erstehen. Sie hat definitiv die Qualität, aber auch die Vielseitigkeit, um zur «Lieblings-CD» zu werden. Im Autoradio, im Badezimmer, vor der Stereoanlage oder über Kopfhörer unterwegs, diese CD wird drin bleiben, sie wird bei jedem Hören besser. In bewährter Anwendung seiner Aufnahmetricks klingt auch diese CD von T-Bone Burnett wie eine historische Aufnahme, was gut passt, denn die 12 Titel sind überwiegend Coverversionen, so dass man die historischen Originale als Vergleich hören kann. Allman klingt wie die angehäufte Lebenserfahrung selbst. Also tolle Stimme – tolle Musik, eine klare Kaufempfehlung. Man gönnt sich ja sonst wenig!

Vor dem Weiterlesen: Erst anhören! Hinter diesem Link kommt man auf einen Link beim Magazin «Rollingstone», wo im Sinne einer Promotion die gesamte CD angehört werden kann, alle Stücke, in voller Länge. Also erst auf den Link, dann läuft die Musik im Hintergrund schon mal.

Und nun zurück zur Musik: T-Bone Burnett hat es also wieder getan: Er hat eine weitere CD eines erfahrenen Stars produziert und damit deren Musik neuen Schwung eingehaucht. Diesmal ist es Gregg Allman, seit 1969 Organist und Sänger der Allman Brothers Band, mit seinem ersten Solo-Album seit 14 Jahren. Burnett hatte zuvor für Allison Krauss und Jimmy Page das Album Raising Sand produziert und im vergangenen Jahr B.B. Kings phänomenales Album One Kind Favour. Jetzt also Gregg Allman. Die CD ist aus meiner Sicht noch besser als die Vorgänger, denn es gelingt ein erdiger und gradliniger Bluessound, dezent mit rootsigen Folk-Song-Elementen gewürzt. Der Allman-Brothers-Frontmann singt hier 12 Titel, 11 Covers und eine Komposition von Warren Haynes und Allman selbst. Die Betonung liegt dabei klar auf dem Gesang, denn Burnett wollte seine perfekte Stimme für diese Songs hervorheben, und so übernahmen andere die Instrumente, Gregg trägt lediglich manchmal einen Lick auf der Hammond B3 bei, oder übernimmt bei Little By Little das Intro. 

Burnett verpflichtete Bassist Dennis Crouch und Schlagzeuger Jay Bellerose als schlicht makellose Rhythmus-Formation. Burnett selbst spielt eine Tremolo-Gitarren, fast schon sein Markenzeichen. Die andere Gitarre wird bedient von Doyle Bramhall II, der perfekt zurückhaltend, aber mit genau richtigem Biss einen erdigen und rotzigen Sound beisteuert (etwa auf Muddy Waters I Can’t Be Satisfied). Sein Sound erinnert stark an Hubert Sumlin in dessen Zeiten mit dem «Howlin’ Wolf». Einen Narren scheint Burnett an Dr. John (Mac Rabenack) gefressen zu haben: Wie schon auf dem King-Albumstreut dieser hier und da etwas Piano-Magie aus dem Bayou ein. Schliesslich kommt bei I Believe I'll Go Back Home Mike Compton an der Mandoline hinzu. 


Das «Master-Mind» T-Bone Burnett

Der abgemischte Sound ist der Knackpunkt dieser CD. Hier entscheidet sich, ob man die Musik mag oder nicht. Der Klang wird irgendwie verfremdet, sei es durch klassische Aufnahmetricks wie die Positionierung der Mikrophone, Wasser-Reverb-Schlaufen oder auch digital, was heutzutage sicher problemlos möglich ist. Diese Verfremdung erreicht eine sanfte Gleichförmigkeit der Musik. Es klingt alles etwas wattig, etwas unscharf, aber dadurch erhalten die Aufnahmen Plastizität, Raum. Diese Unschärfe ist gewollt, sie vermittelt zudem ein Alter der Aufnahme, eine Historizität, die auch augenblicklich an Petticoat-Unterröcke gemahnt oder an 60er-Jahre Autodesigns. Diesen Sound kann man mögen – wie es bei mir der Fall ist – oder man kann ihn ablehnen, wie der eine Kritiker auf Amazon.com, der das Album aus diesem Grund schlecht fand, der aber auch noch drei von fünf Sternen vergab. Der Sound ist natürlich zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt, verkratzt oder sonst wie geschmäcklerisch auf alt getrimmt.

Die Titel, die sich die Macher von Low Country Blues vorgenommen haben, sind steile Vorgaben: Floating Bridge von «Sleepy» John Estes, Little By Little von Junior Wells, Skip JamesDevil Got My Woman, Muddy Waters’ I Can't Be Satisfied, Blind Man sei angeblich mit Bobby «Blue» Bland bekannt geworden und in der Tat klingt es nach ihm. Just Another Rider ist die Eigenkomposition von Haynes und Allman, die deutlich nach Midnight Rider klingt, einem alten Song der Allman Brothers. B.B. Kings Schmusenummer Please Accept My Love kommt zu seltenen Cover-Ehren, dann folgt I Believe I'll Go Back Home, ein Traditional. Tears, Tears, Tears ist von Amos Milburn und My Love Is Your Love ist ein Magic Sam-Titel. Otis Rushs Checking On My Baby und Rolling Stone (trad.) schliessen die Auswahl ab. 

Die Songs erfahren eine neue Interpretation in bestem Sinne. Es gibt viel zu hören, es gibt eine eigene Meinung zu jedem Titel. Allman nudelt nicht irgendwelche Titel runter, jeder scheint auf ihn zugeschnitten, die Musik ist düster und bluesig wie seine Stimme, die meist durch kräftigen Hall zusätzlich wabert. Nicht alle Titel gefielen gleich gut, Little By Little wird etwas zugewalzt von der massiven Musik, insbesondere dem Schlagzeug, das hier etwas sehr dröhnt. Auch I Can’t Be Satisfied mag nicht jedermanns Geschmack sein, aber es bleiben gute und ausgereifte Versionen dieser Titel. 

Am besten sind Titel mit dicken Arrangements wie Please Accept My Love, wo sogar noch eine Horn-Section zu hören ist. Hier kann die auf grosse Ensembles eingeübte Stimme brillieren. Die kleinen Balladen wie I Believe I’ll Go Back Home beginnen meist sehr sparsam, werden dann aber stark angereichert, etwa durch die Mandoline und dadurch werden die Songs leicht aufgeregt, aber eben auch fetzig, treibend. 

Low Country Blues ist ein Grammy-Anwärter, das wird Filmmusik werden, das ist grossartige gemachte Unterhaltung, eine ganze CD voll, 52 Minuten perfekter Blues zwischen Tradition und Moderne, die auch schon wieder traditionell klingt.

  
Gregg Allman Low Country Blues (2011)
1. Floating Bridge                        4:45
2. Little By Little                            2:45
3. Devil Got My Woman              4:52
4. I Can't Be Satisfied                 3:32
5. Blind Man                                 3:46
6. Just Another Rider                  5:39
7. Please Accept My Love         3:07
8. I Believe I'll Go Back Home   3:49
9. Tears, Tears, Tears               4:55
10. My Love Is Your Love          4:14
11. Checking On My Baby        4:06
12. Rolling Stone                       7:04