Jimmy Rushing Complete Going to Chicago and Listen to the Blues
Die Gute alte Zeit
Trotz aufregender neuer Bands und Aufnahmen, trotz den wunderbaren Produktionen, an denen wir uns erfreuen können: hin und wieder ist es auch gut, sich den alten Meistern zuzuwenden. Als Reissue liegen die beiden Alben Going to Chicago und Listen to the Blues des grossartigen Jimmy Rushing vor, und dies sind pures Gold. Es ist eine andere Art von Blues aus einer anderen Zeit, die Musik ist Tanzmusik für Tänzer, die heute niemand mehr kennt, aber vor allem ist es grossartiger Blues in der Tradition der Zwischenkriegs-Bands, die mit dem Namen Kansas City verbunden sind. Jimmy Rushing und eine stattliche Band machen Musik, die nicht unbedingt dem Zwölf-Takt-Schema entspricht, die aber zutiefst «blues» ist, Musik fürs Herz, Musik, die direkt auf Emotionen abzielt.
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Jimmy Rushing, Jahrgang 1902, zählte zur Generation von Musikern, die selbstverständlich in den Kirchen des Südens singen lernten, und die neben dem Gesang immer auch einer «richtigen» Arbeit nachgingen, in Rushings Fall bediente er den Bratherd in einem Hamburger-Restaurant. Jimmy Rushing zählt mit Big Joe Turner zu den grossen Blues Shoutern aus Kansas City, die mit Count Basie, Bennie Moten, Walter Page und anderen Bandleadern zusammen spielten. Im Beipackheft erzählt jimmy Rushing, welche netter Mann Jelly Roll Morton gewesen sei, über den man sonst nur sehr kritische Aussagen liest. Über Jimmy Rushing kann man das nicht sagen, er war eine allseits beliebte Person, den Jimmy Witherspoon den «Greatest Blues Singer of All Time».
Bei den hier veröffentlichten Aufnahmen muss der kleine und sehr dicke Mann mit dem Übernamen «Four by Four» nichts mehr beweisen. Er singt entspannt mit der Grösse eines arrivierten Musikers sicher durch die Auswahl an Titeln unterschiedlichen Tempos und Gustos. Alle Aufnahmen wurden in New York gemacht, die Aufnahmedaten sind Dezember 1954 (Tracks 1-7), August 1955 (8-16) und März 1957 für Track 17. Die Gesamtspiellänge der CD beträgt eindrückliche 79:30. Auf allen Titeln gibt es neben einer Rhythm Section, zu der auf Tracks 8-16 auch eine Gitarre zählt Trompete, Posaune und Tenor Sax, dazu Klarinette oder Alt-Sax. Das Klavier alterniert zwischen Solo-Instrument und Rhythmus-Instrument. Bei den Aufnahmesessions werden viele Solisten ersetzt, was dem Sound aber wenig Veränderung einbringt. Die Soli sind abwechslungsreich und mit viel Gefühl gespielt.
Bei den Titeln gibt es mit I Want a Little Girl, Everyday I Have The Blues, Good Mordning Blues und See See Rider eine Reihe von wohlbekannten Titeln, aber auch diesen drückt die Band ihren Stempel auf. Das Piano- und dann Trompetensolo am Anfang von See See Rider sind ein Vergnügen. Interessant ist der Titel Rock and Roll, denn die Aufnahme trägt alle Züge des Rock’n’Roll in sich, aber irgendwie bleibt die Aufnahme zu tief im Blues verwurzelt, um wirklich heute als Rock’n’Roll wahrgenommen zu werden.
Diese Art des Blues macht Spass, die geht in die Beine, und abgesehen davon, dass es die Grundlage für den Chicago Blues und die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg war (von Ray Charles bis B.B. King), ist es sensationelle Unterhaltung. Die CD swingt, aber es ist ein Blues-Swing, nicht der Jazz-Swing von Nat «King» Cole oder Ella Fitzgerald. Auf dieser CD bleibt Rushing im Blues. Wer etwas jazzigeres sucht, sollte sich die CD Brubeck & Rushing anhören.
Jimmy Rushing & The Jimmy Rushing All Stars Complete Going to Chicago and Listen to the Blues
1-7: 1. Dezember 1954
2-16: 16. August 1955
Jo Jones Schlagzeug
Track 17: 5. März 1957
Emmett Berry Trompete
Jo Jones Schlagzeug