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www.bluesnews.ch - Musik

Hamp Goes Wild, Roomin' House Boogie

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Was ist das Geheimnis einer guten alten Rock'n'Roll Band? Einen guten Kontrabass, bei dem man hört, wie die Saiten auf das Griffbrett knallen, einen stetigen Drummer der wie ein Puls die Band antreibt, ein kratziges Saxophon für die Ornamente und ein Piano, dass den Boogie-Woogie-Swing aufrechterhält. Wenn dann noch eine gute Gesangsstimme hinzukommt, ist das Rezept für guten Rock'n'Roll bereits fertig. Wenn das Rezept stimmt, ist es auch müssig, über Genregrenzen zu diskutieren, denn wo der Boogie-Woogie aufhört, der Piano-Blues weitermacht und wo der Rock'n'Roll reinkommt ist unerheblich, wenn es fetzt. Und das tut diese CD von Hamp Goes Wild ohne Zweifel.

Boogie, Rock'n'Roll, Gesang - Hamp kann es alles, und dazu gibt es dann noch dieses so schwer zu benennende Quantum an Gefühl, an mangelnder Präzision, die einem Song den Swing gibt. Und wie schon Duke Ellington wusste: «It don't mean a thing, if it ain't got that swing».

Die Aufnahmen wurden mit original Mikrophonen, Preamps und 2-Kanal! Revox-Tonband aus den 50/60er Jahren aufgenommen. Alles mit Röhren! Live und ohne Overdubs.

Auf der CD Roomin' House Boogie spielt Hamp Goes Wild fröhlich und angeregt aus. Nach dem Titelsong folgt Rockin‘ the House, dann You Can't Judge a Book By its Cover darauf A Rockin Good Way, ein Duett mit Carmen Fenk. Diese ersten Stücke der CD sind alle fetziger, schnörkelloser Boogie-Woogie oder eben Rock'n'Roll, wobei mir die Musik schon einen starken Blues-Eindruck macht, denn die Band konzentriert sich stark auf den Boogie-Puls, und Hamps Pianoläufe sind weniger ein Rumsauen auf den Tasten wie bei Jerry Lee Lewis, sondern feine, sauber ausgedachte Piano-Solos, die eher an Pinetop Perkins erinnern denn an The Killer.

Dann folgt Boogie All Night, ein Song, der unzweifelhaft dem Blues-Katalog zuzusprechen ist. Der Song eröffnet mit einem röhrenden Harmonica - Einsatz von Daniel Zimmermann, an dem Little Walter seine helle Freude gehabt hätte. Ein Stück, das eindeutig belegt, dass Hamp Goes Wild sich im Blues zu behaupten weiss. Neben der Harmonica ist hier insbesondere Hamps Piano-Solo lobend hervorzuheben. Auch das folgende Stück My Baby's Boogying ist eindeutig als Blues zu bezeichnen, allerdings schneller und dadurch mitreissender als Boogie All Night. Auch hier brilliert Hamp in seinem Solo: er strahlt Spielfreude und positive Aggressivität aus.

Barefootin‘ kontrastiert als folgendes Stück die eben beschriebenen, so als sei es ein Beleg dafür, dass Hamps erste Liebe doch der Rock'n'Roll war und sein Vorbild Jerry Lee Lewis. Wie der berühmte Killer aus Mississippi traktiert Hamp hier die Tasten, aber auch Gesang und Zwischenrufe, Anfeuerungen an das Publikum und die Band machen das Stück einerseits zu einem mitreissenden und aktuellen Rock'n'Roll, andererseits wie die Reproduktion eines Vintage-Instruments oder -autos zu einer fast museal zu nennende Hommage an Jerry Lee Lewis. Als Pünktchen auf dem i ist dann festzustellen, dass der Song mit einer Länge von 2:30 genau die Länge hat, welche die alten Aufnahmen aus den 50er Jahren jeweils aufwiesen.

The Train Kept A Rollin‘, das folgende Stück, bietet Hamps Saxophonisten Duke Seidmann die Chance, in sein Rohr zu blasen. Ein Jump Blues im Stil von Louis Jordan, der ebenfalls überzeugt. Mit dem folgenden Stück Rock This House, das mir sonst noch in einer Version von Jimmy Rogers bekannt ist (auf der CD Feelin‘ Good) hebt Hamp erneut ab in die Gefilde des Rock'n'Roll. Hamp ist eine Idee langsamer als Chicago-Veteran Jimmy Rogers, aber ebenso mitreissend. Auch hier gibt es ein Gitarrensolo wie bei Rogers und es scheint ganz, als habe sich Hamp an Muddy Waters ehemaligem Gitarristen orientiert. Das ist natürlich nichts Schlechtes, schliesslich soll man immer von den Besten lernen.

Mit dem darauf folgenden Stück My Baby's Got A Cadillac macht Hamp einen überraschenden Ausflug nach New Orleans. Der Rhythmus wird synkopiert, Schlagzeuger Pädu Ziswiler peitscht das Stück wunderbar voran und es hat durchwegs viel Drive. Dasselbe gilt auf für den folgenden Klassiker Early In The Morning, den Hamp, der Schlagzeuger und Bassist in perfekter Manier umsetzen, so dass Professor Longhair von oben herunter zu lächeln scheint. Die Rhythmus-Section ist einfach grossartig hier, und die verschiedenen Rhythmuswechsel werden meisterlich vollzogen. So muss dieser Song klingen. Dass es eine definitive Version ist unterstreicht die Band dann mit dem ungewöhnlichen Schluss.

Please Don't Hurt Me ist mit fünf Minuten das längste Stück der CD, ein Slow Blues mit erneut makelloser Harmonica. Das heisst, der Song ist vielleicht kein Slow Blues im wirklich langsamen Sinn, aber für Hamp bedeutet es schon eine deutliche Verlangsamung. Auch hier ist der Drummer erneut besonders hervorzuheben, der dafür sorgt, dass man ab dem zweiten Takt mit dem Fuss wippt. Die letzten beiden Songs We're Going Out Tonight und Real Gone Lover sind nochmal «showcases» für Hamps Qualitäten am Piano. Er trägt erneut beide Stücke und soliert in seiner mittlerweile bekannt lockeren Art.

Hamp Goes Wild und sein Album Roomin' House Boogie machen einfach Spass. Die CD ist eine wirklich grossartige Produktion: Die Band ist perfekt eingespielt und funktioniert wie ein Uhrwerk, Hamp am Klavier ist ein durchdringender, aber nicht aufdringlicher Pianist, und sein Gesang ist sehr gut. Er hat wenig Akzent und seine Stimme passt gut zu seiner Musik. Man merkt zwar immer wieder den Einfluss von Jerry Lee Lewis durch, aber das macht schliesslich nichts, oder?

Hamp Goes Wild, Roomin' House Boogie , Blue Lake Records 2008

Hans Peter "Hamp" Ruosch, Gesang und Piano
Pädu Ziswiler, Schlagzeug
Marcel Baschung, Bass (ausser Track 5)
Sarah Wegmann, Bass (Track 5)
Carmen Fenk, Gesang (Track 4)
Duke Seidmann, Saxophon (Tracks1,8,14)
Daniel Zimmermann, Harmonica (Tracks 5,12)
Juan Rodriguez, Gitarre (Tracks 5,9,10)

01. Roomin' House Boogie (Jesse Mae Robinson)
02. Rockin The Blues (H.P. Ruosch)
03. You Can't Judge a Book (Willie Dixon)
04. A Rockin' Good Way (B. Benton/C. Otis/L.Déjesus)
05. Boogie All Night (Kim Wilson)
06. My Baby's Boogying (Amos Milburn)
07. Barefootin' (R. Parker)
08. The Train Kept A Rollin' (Tiny Bradshaw)
09. Rock This House (James A. Lane)
10. My Baby's Got a Cadillac (H.P. Ruosch)
11. Early In The Morning (Louis Jordan)
12. Please Don't Hurt Me (H.P. Ruosch)
13. We're Going Out Tonight (Pädu Ziswiler)
14. Real Gone Lover (Smiley Lewis)