Mark Knopfler – Down the Road Wherever
Die Summe der Elemente
Spät im vergangenen Jahr hat Mark Knopfler sein aktuelles Album Down the Road Wherever veröffentlicht, dessen Songs er im kommenden Mai auch im Hallenstadion Zürich darbieten wird (Tickets so gut wie ausverkauft). Down the Road Wherever kommt mit einem ebenso unspektakulärem Cover daher wie der Titel belanglos ist, aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Knopfler hat mit diesem Album fast so etwas wie sein eigenes Greatest-Hits-Tribute-Album geschaffen. Er zeigt die gesamte Bandbreite seiner Songwriter-Qualitäten und bringt Lieder unterschiedlichsten Charakters zusammen. Die Rhythmen und Klangfarben, derer sich Knopfler und Koproduzent Guy Fletcher bedienen, erschaffen weite und offene Klanglandschaften auch für Musikstile, die vielleicht nicht überraschen, die man aber in Knopflers Schaffen weniger hört. Dennoch gibt es genügend von dem, was man bei Herrn Knopfler erwarten kann. Was das Album ebenfalls deutlich macht: Mark Knopfler schreibt tolle Songtexte, die unter die Haut gehen können.
Ich stehe gerne dazu, dass ich Mark Knopfler für einen wunderbaren Musiker halte und dass ich seine Musik viel höre. Allerdings gibt es Alben, auf die ich weitaus weniger wild bin als auf andere. Ich hörte deutliche stilistische Unterschiede zwischen den Americana auf Sailing to Philadelphia und dem Folk-Rock auf Golden Heart. Aber mit dem neuen Album war es nicht so einfach. Down the Road Wherever enthält eine reiche Platte Musik: Jazz, sanfte Balladen, Rocktitel, aber auch einen groovigen Funksong. Was beeindruckt ist wie leicht diese Musik scheinbar von statten geht. Die Titel haben eine durchwegs Intensivität, ohne aufdringlich zu sein.
Und so habe ich mich jetzt 2 Monate in dieses Album eingehört, und ich halte es für ein Meisterwerk, bei dem der frühere Bandleader von Dire Straits der Welt zeigt, was er inzwischen alles kann, was er gelernt hat. Alle diese kleinen Wissensstückchen trägt er hier zusammen und er liefert ein reifes Werk ab, ein Album, das durchgehend abwechslungsreich und unterhaltsam ist, dabei enorm laid-back. Auf manchen Songs klingt er wie J.J. Cale, auf anderen wie zu den rockigsten Phasen von Dire Straits. Wahrlich die Summe der Elemente seiner Musik.
Mark Knopflers Songwriting schliesslich ist erneut bemerkenswert: Seine Texte sind natürlich kleine literarische Miniaturen, aber selbst wenn man nur mit einem Ohr zuhört und einzelne Satzfetzen hört, ergeben diese einen Sinn. So lautet die erste Strophe von One Song at a Time: «My whistle under the archways / Still echoes down the street / All the way back to Deptford days / Nights down by the creek / Notes as big as river boats / Still echoing through the clubs / With the horns of the trains / down the old back lanes / And the lights of the corner pubs». Der Text erzeugt ein Gefühl, er ist spärlich wie die Musik und arbeitet mit Bildern ohne bloss Klischees aneinander zu reihen.
Kritik an dieser CD ist dennoch angebracht. Und diese betrifft einerseits das einfallslose Cover (eine leere Strasse bis zum Horiziont? Gähn! das hatte Joni Mitchell schon bei Heijira auf dem Cover.) Andererseits ist das Booklet praktisch nicht zu lesen. Nicht nur ist die Schrift absurd klein, es ist weisse Schrift auf einem hell ockerfarbenem Grund. Man hätte sich das Abdrucken des Textes auch sparen können, wenn man nicht will, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer das lesen können. Die Präsentation der Musik erfuhr eindeutig weniger Aufmerksamkeit als deren Erschaffung. Vielleicht ist es für Vinyl-Anhänger angenehmer zu lesen, aber im CD-Booklet sind die Texte teilweise nur mit Lupe zu lesen.
Trapper Man klingt anfänglich deutlich nach Telegraph Road, ehe dann der Beat einsetzt. Dann ist es ein rockiger Opener, der Laune macht auf mehr. Weitere bemerkenswerte Songs sind die folgenden: Nobody Does That kommt mit einem Funk-Groove daher, der ebenso Isaac Hayes wie J.J. Cale durchschimmern lassen. Der Groove haut einen fast um, hier zeigt sich auch die Qualität dieser untadeligen Band. Tipp für den Alltag: Dieser Titel am Morgen auf die Ohren, und man ist gerüstet für einen guten Tag. Drover’s Road bietet diesen süssen Overdrive-Ton einer Gitarre, die Knopflers Ruhm mitbegründeten. Der Titel ist einfach, aber dadurch leicht hypnotisch. Im Hintergrund ein Holzbläser, der Ferne eröffnet. Das ist einfach ein grossartiges Arrangement. Ein Meister seines Faches hat in jedem Element dieser Aufnahme mitgearbeitet.
Just a Boy Away From Home enthält Anspielungen auf You’ll Never Walk Alone, ein Musical-Titel von Rodgers & Hammerstein und die Hymne des Fussballklubs FC Liverpool, die im Beiheft ausgewiesen sind (!). Das scheint juristische Gründe zu haben. Vor allem aber bietet der Song eine schöne Slidegitarre, von der man nicht weiss, ob Knopfler oder Robbie MacIntosh sie spielt, allerdings steht Letzterer zu vermuten, denn der andere Track mit MacIntoshs Kooperation enthält jedenfalls ebenfalls eine Slidegitarre. Und von Mark Knopfler sind somit meines Wissens noch immer keine Slide-Töne veröffentlicht. Rear View Mirror ist ein jazziger Song mit grossem Bläsersatz und Hammondorgel. Eine Perle des Albums, weil enorm erneut funky. Matchstick Man ist das obligat akustische kontemplative Schlussstück. Einfach makellos und mit einer Länge von 2:52 genau richtig. Slow Learner beginnt als typische Knofpler-Ballade und endet mit südamerikanischem Groove und Bläse. Phänomenal.
Die Perfektion dieses Albums ist beeindruckend. Mark Knopfler weiss wie man Hits schreibt, aber hier schreibt er einfach gute Musik. Er hat eine Fanbase, die seine Alben sowieso erwirbt und kann sich das erlauben. Aber die Art wie er hier unterschiedliche Facetten zeigt, ist eine Freude.
1. |
Trapper Man |
6:01 |
2. |
Back On The Dance Floor |
5:31 |
3. |
Nobody’s Child |
4:17 |
4. |
Just A Boy Away From Home |
5:12 |
5. |
When You Leave |
4:13 |
6. |
Good On You Son |
5:38 |
7. |
My Bacon Roll |
5:36 |
8. |
Nobody Does That |
5:15 |
9. |
Drovers’ Road |
5:05 |
10. |
One Song At A Time |
6:17 |
11. |
Floating Away |
5:03 |
12. |
Slow Learner |
4:34 |
13 |
Heavy Up |
6:00 |
14. |
Every Heart In The Room |
4:31 |
15. |
Rear View Mirror |
2:30 |
16. |
Matchstick Man |
2:52 |
Weitere Musiker mit Instrumentalbeiträgen auf einzelnen Songs.