Thomas Schleiken Echoes
Zeitloses Fingerpicking
Der Fingerpicker Thomas Schleiken, zugleich Publisher von geschmackvollem Blues in Handarbeit im Rahmen seines Musiklabels «Blind Lemon Records», wurde hier bereits porträtiert. Zu seinen Künstlern zählen unter anderem Tom Shaka, Adam Franklin, David Evans und Alwin Schönberger. Mit Echoes legt er jetzt seine dritte selbst eingespielte Scheibe vor, eine Sammlung von 15 Titeln, meistens Eigenkompositionen, die Schleiken mit gelegentlicher Begleitung einer Harmonika und einer Geige zum Besten gibt. Er übernimmt Gitarrenspiel und Gesang. Die Aufnahmen klingen richtig gut, die Aufnahme erwartungsgemäss makellos, und das ist von der Aufnahmetechnik ebenso beeindruckend wie der kleine Hinweis «no overdubs» hinten auf der CD.
Die 2015 erschienene CD Echoes stellt Thomas Schleiken in die Tradition grosser europäischer Fingerpicker wie Oskar Klein oder Hannes Wader, zwischen deren Musikstilen jener Schleikens oszilliert. Er spielt auf diesen 15 Titeln Gospel, Ragtime, Blues, mit Gesang oder als Instrumentalstück. Jeder Titel ist ein Kleinod für sich und die Unterstützung durch die Violine Regina Mudrichs auf sieben Titeln gewinnt die Musik eine weitere Dimension. Die Harmonika wird gespielt von Thomas Freund, der auch beim Gesang von Ship is at the Landing unterstützend mithilft, einem Gospel (oder doch ein Trinklied von Seeleuten?), rauh gesungen und mit der Resonator-Gitarre wunderbar authentisch gespielt.
Time to Fly ist ein Paradebeispiel für einen Titel mit äusserst geschmackvoller Geigenbegleitung, Im Auftakt erinnert er an zeitlose Melodien wie Greensleeves, bis dann die melancholische Violine und der Gesang einsetzen. Big Boss Blues, On Soco’s Road und der Klassiker Louis Collins sind schöne Bluestitel. Ersterer ist nicht Jimmy Reeds Klage an den Big Boss, sondern eine Eigenkomposition. Echoes from Bentonia ist eine Anspielung auf den Picking-Style, der mit dem kleinen Städchen Bentoina im Mississippi-Delta assoziiert wird, dem Geburtsort von Skip James (1902–1969) und Jack Owens (1904–1997) sowie Heimat des «Blue Front Café», dessen Echos ja auch bis ans jährliche Festival in Rapperswil reichen.
Freight Train ist das zu erwartende Schlaflied von Elizabeth Cotten, zeitlos, klassisch. Nun ist gerade dieser Titel in Dutzenden von Covers zu hören. Von Richard Koechli (Slide-Picking) bis Lenny Breau und Taj Mahal gibt es viele vollkommen unterschiedliche Versionen. Thomas Schleikens Fassung erinnert vom Gitarrenspiel her am meisten die frühe Joan Baez. Creole Bell ist auf der CD fälschlicherweise als «Croele Belle» angegeben, gemeint ist aber eine Kreolin. Vom Titel her verwirrt die einzige deutsch betitelte Nummer An Und Für Sich. Die Anspielung auf Kant’sches Gedankengut? Versucht Thomas Schleiken hier die Spaltung von Subjekt (der Hörerin oder dem Hörer) und Objekt (der Musik) zu überwinden? Will er mit der leicht träumerischen Melodie eine Musik vorführen, die unabhängig vom Bewusstsein einer Person ihre Wirkung entfalten, wie das Musik nun einmal kann? Indem der Titel instrumental bleibt, lässt er diese Fragen offen und lädt zum neuerlichen Anhören an.
Die gesamte CD Echoes ist eine Freude, abwechslungsreiche Musik, leidenschaftlicher Gesang mit gelegentlicher, aber kaum störender Sprachfärbung und schönem Fingerpicking, alles dargeboten mit grossartigen Aufnahmen. Was das Picking selbst angeht, so spielt Schleiken schöne und einfache Basslinien, keine komplexen Gegenrhythmen à la Lenny Breau, aber geschmackvoll und mit grosser Praxis eingespielt. Mehr Gefühl als Artistik, und das ist gut so. Echoes sind schöne 59 Minuten, bei denen man keinen Titel überspringt. Auf der Website «Blind Lemon Records» gibt es die CD für 15 Euro zu bestellen.
1. | Globetramper's Treat | 3:02 |
2. | Freight Train | 3:27 |
3. | For Libba & John | 2:55 |
4. | Louis Collins | 3:35 |
5. | An und für sich | 3:22 |
6. | Time to Fly | 5:17 |
7. | Echoes from Bentonia | 3:24 |
8. | On Soco's Road | 4:08 |
9. | Ship is at the Landing | 3:26 |
10. | Beech Mountain Rag | 3:25 |
11. | Big Boss Blues | 7:13 |
12. | Croele Belle (sic!) | 3:03 |
13. | Anadúne | 3:42 |
14. | Lonesome Valey | 6:25 |
15. | Blues Horizon | 3:16 |