Skip to main content

www.bluesnews.ch - Musik

Sampler Blues Harp Women

Die Harfe blasen

BluesHarp WomenCDCoverDie Gleichberechtigung im Blues ist weitgehend hergestellt – Sängerinnen gibt es seit den Anfängen mit Ma Rainey und Bessie Smith und Gitarristinnen wie Memphis Minnie, Bonnie Raitt oder Susan Tedeschi sind auch wohl bekannt. Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn Bluesmusik entstand in einem deutlich geschlechtergetrennten Umfeld. Doch wie steht es eigentlich mit Harp-Spielerinnen? Bei der Kombination «Frau» und «Harp» denkt man wohl eher an zartgliedrige Damen in Abendgarderobe, die im Symphonieorchester das 47-saitige Chrodophon namens «Konzertharfe» spielen. Und tatsächlich ergibt eine Google-Suche nach «Harp Women» 10'100’00 Treffer, eine nach dem Stichwort «Blues harp women» dann aber nur noch 229'000 Hits. Gibt es überhaupt Frauen, die Harmonica spielen? Nach Lektüre ihrer Biographie kommt einem vielleicht zumindest Big Mama Thornton in den Sinn, aber sonst? Fehlanzeige! Diesem Umstand verschafft nun der neue Sampler Blues Harp Women von «Ruf Records» Abhilfe, indem dort 31 Frauen versammelt sind, die Harp spielen und die deutlich machen: Es gibt die Blueswomen mit der Harp, man kennt sie nur zu wenig.

Wenn man auf dem Netz eine Hitparade der Blues Harp Spieler sucht, findet man diverse Listen von Top 10 Harmonica-Spielern. Doch diese Listen bringen stets nur Männer. Ein Beispiel zeigt, dass selbst bei einer «All-Time Top 10» und einer «Second 10 All Time» Liste keine Frau auf die Liste gesetzt wird. Bei den Honourable Mentions finden sich dann die eine oder andere Frau, aber die Liste mit den Ehrennennungen ist sowieso offensichtlich eine Gesamtliste aller Harp-Spielerinnen und –Spieler die dem Autor in den Sinn kamen. Auf der Liste gibt es wenig Überraschungen, Little Walter und Sonny Boy Williamson figurieren erwartungsgemäss darauf, erwähnenswert an diesen Listen ist vielleicht höchstens, dass Mick Jagger fehlt, den ja Keith Richrds unlängst als den besten Bluesharp-Spieler bezeichnete, den er je gehört hat. Offenbar bleibt das die singuläre Einschätzung des Rolling Stones-Gitarristen.

Jetzt hat sich also endlich jemand des Themas angenommen, nämlich der amerikanische DJ Norman Davis, der wohl beschämt darüber, ausser Big Mama Thornton keine andere Harp-Spielerin zu kennen, hat sich auf die Suche gemacht. Als Frucht dieser Suche liegt nun das Album Blues Harp Women vor sowie die ebenfalls von Davis betriebene Website «Hermonicas». Darauf findet sich auch eine noch vollständigere Liste von Blues-Harp-Spielerinnen mit eindrücklichen 91 Namen.

Der Sampler von «Ruf Records» ist in fesselnder Weise vielseitig und abwechslungsreich. Das gibt es natürlich eine Reihe von Damen, die vornehmlich singen und hin und wieder Harp spielen wie Teresa «T-Bird» Tynne, die eine hohe, und insofern untypische Bluesstimme hat, die aber viel Schmerz in jeden Ton zu legen versteht. Dana Dixon (nicht verwandt mit dem Chicago-Komponisten) ist die Frontfrau einer Texas-Blues-Band und sie setzt die Harp in bester «Lone Star»-Tradition ein wie Kim Wilson oder andere Texaner: Mit jeder Menge Power. Rhonda Rucker spielt ihren Titel Rhonda alla Blue einen akustischen Blues (allerdings ohne erkennbaren musikalischen Bezug zu Beethoven oder Dave Brubeck). Christelle Berthon gibt Gershwins unsterbliches Summertime als Instrumentalstück zum Besten. Für jeden Geschmack etwas dabei, ist dies ein perfekter Sampler um sich mit einem Thema in Blues zu beschäftigen, das lange vernachlässigt wurde: Frauen und ihre Fähigkeit, die «Harfe zu Blasen», wie Google Translator sagen würde oder natürlich der ignorante Synchronübersetzer der Blues Brothers. Bei so vielen Titeln ist es schwer, einen Favoriten zu nennen, aber ich würde mich für die exorbitante Virtuosität von Octavia entscheiden, die mit ihrem Titel Naughty Girl tollen Blues zelebriert und auch noch eine kräftige Singstimme mitbringt. Die Dame hat mit ihrer Bluesband auch bereits fünf Alben veröffentlicht.

Ein rundum gelungenes, abwechslungsreiches Album ist Blues Harp Women, und mit einer Doppel-CD für 20 Euro bei Amazon und gradmal die Hälfte für den Digital Download. Dabei gibt es bei der CD ein wunderbares mehrseitiges Booklet mit Kurzbiographien sämtlicher Künstlerinnen. Also wirklich ein tolles Paket Blues. Bleibt zu hoffen, dass sich für Norman Davis noch weitere Fragen aufwerfen, denen er in ähnlicher Weise nachzugehen versucht.

CD 1      
1. Harmonica Girl Paula Rangell 4:28
2. Roadmaster Roxy Perry 4:19
3. Heavy Water Stacy Jones Band 5:48
4. Down Home Shakedown Big Mama Thornton 3:36
5. 32-20 Blues LynnAnn Hyde 4:47
6. Down To The Hollow Trina Hamlin 4:28
7. Stop! Wait A Minute Tracy K 3:35
8. One More Lie Teresa "T-Bird" Lynne 5:10
9. Naughty Girl Octavia 4:42
10. Why You So Mean To Me Kat Baloun 4:52
11. Ain't Easy Beth Konen 3:22
12. Stuck On You Jane Gillman 2:50
13. Mechanical Beast Zola Moon 4:09
14. Please Call Daddy Mattie Phifer 5:20
15. Sadder Than Sad Dorothy Jane Gosper 8:51
CD 2      
1. Cash Is King Jenny Kerr 3:38
2. Blues Got Me Cheryl Arena 6:28
3. Lookin' Good Annie Raines 7:35
4. He's Gone Marion Turner 3:20
5. Meet Me Where They Play The Blues Terry Leonino 4:01
6. Crazy Maisie Dana Dixon 4:30
7. Everybody's Dancing Beata Kossowska 3:05
8. Take The Lead Jill Fromewick 3:29
9. Never Leave Me Home Diana Redlin 3:10
10. Summertime Christelle Berthon 4:28
11. Hit The Road Judy Rudin 4:24
12. Doctor  C Cecilia Loforti 4:04
13. Rikers Island Maria Coyote 3:38
14. Fast Food Mama Jackie Merritt 2:53
15. Bring It On Home (To Me) Big Nancy 3:32
16. Rhonda Alla Blue Rhonda Rucker 3:14