Kai Strauss Electric Blues
Kais Schatzkästchen
Schon lange überfällig, hat Kai Strauss nun seine Solo-CD veröffentlicht, auf der er die gesamte Bandbreite seines Schaffens über die letzten zehn Jahre darstellt. Der bekannte Bluesgitarristen aus Westfalen liefert mit Electric Blues einen Überblick über sein Schaffen in Form der Musik, der er seit Jahrzehnten treu huldigt – dem elektrischen Gitarrenblues in der wohlbekannten Chicagoer Machart. Und hierbei ist Kai Strauss eine Kapazität. Dieser Gitarrist der Extraklasse erfindet den Blues nicht neu, er spielt ihn wie seine Vorbilder, die bekannten Namen der Geschichte. Bloss, wenn Strauss klingen will wie Buddy Guy, dann klingt das so, ebenso bei B.B. King oder Hubert Sumlin. Er beherrscht die «Dialekte» der Bluesgitarre in einem Mass, das Bewunderung hervorruft. Er scheint mit diesem Album auf dem Höhepunkt seines Bluesspiels angelangt, daher ist es folgerichtig, sich stilistisch zu erweitern. Hier präsentiert er seine über die Jahre erarbeiteten Schätze in Form von Aufnahmen, die er abmischte und zusammentrug, bis es jetzt zu diesem Album wurde. Aufgenommen über Jahre mit einem Heer von Musikern und wahrscheinlich auf der ganzen Welt eingespielte Spuren werden hier zu einem grossartigen Ganzen.
Er hat bereits in Luzern gespielt, aber falls Kai Strauss nicht bekannt sein sollte: In Jimi Hendrix‘ Todesjahr 1970 geboren, wuchs Kai Strauss in Lengerich auf, einem kleinen Ort zwischen Münster und Osnabrück in Westphalen. Seine Mitarbeit in Bands beinhaltet neben einer Kai Strauss Band vor allem seine Zeit als Gitarrist bei Memo Gonzalez & The Bluescasters. In diesem Youtube-Video gibt es eine Selbstvorstellung von Kai Strauss aus dem Jahr 2012 zu hören, in Form eines sehr offen geführten Interviews, in dem über seine Biographie und sein Werden als Musiker Auskunft gibt.
Dabei erwähnt er Albert King als erstem Kontakt zum Blues, auf einer Schallplatte des Vaters. Kings Einfluss war auf der CD kaum auszumachen, aber dafür sehr deutlich das restliche who is who der Bluesgitarre: Freddie King, Hubert Sumlin, Eric Clapton, Buddy Guy, sie sind alle da. Strauss spricht auch darüber, wie er für Jahre zum Blues-Puristen wurde. Die Früchte dieser Ausschliesslichkeit sind hier zu hören. Strauss spielt fliessend und natürlich jeden Stil, er hat die Blues-Gitarre durch und durch verinnerlicht. Mit Hendix oder Duane Allmann hat er nichts am Hut, seine Bluesgitarre ist eindeutig nicht Hippie-beeinflusst, dies ist die von Schwarzen Musikern in Chicago und Memphis geschaffene Tradition.
Im Interview spricht er auch über seine Weiterentwicklung als Musiker. Im Herzen natürlich ein Bluesman hat er in jüngerer Zeit vermehrt auch Soul und vergleichbare Blues-Artverwandte gehört und gespielt. Er erklärt sich als stilistisch offener, wenn auch das Zentrum der Blues bleibt. Der Musikgeschmack und damit auch seine Beschäftigung als Gitarrist transzendiert die Genre-Grenzen zusehends. Trotz seiner neu gewonnene stilistische Vielfalt versteht er als ehemaliger Purist, dass man seine Entwicklung ablehnen kann. Aber gerade für diese Leute gibt es mit diesem Schatzkästchen eine knapp eine Stunde dauernde Abfolge von Höhepunkten.
Die CD enthält 14 Titel, manche Covers, andere selbst geschrieben, aber musikalisch sind es alles Coverversionen. Bestes Beispiel ist When the cat is gone the mice [are gonna] play. Dies ist in bester Bluestradition ein mit neuem Text gefüllter Song, in diesem Fall Messin‘ with the Kid. Keith Dunn singt hier in perfekter Nachahmung von Junior Wells’ Gesang, was für Kai Strauss ja wohl bedeutet, dass er den Buddy Guy-Part übernehmen muss. Er zeigt sich dieser Aufgabe erwartungsgemäss in jeder Hinsicht gewachsen.
Die meisten seiner Titel sind im Duktus eines Chicago-Blues gespielt, die Bluesharp auf einigen Aufnahmen als deutlicher Solo-Partner zur Gitarre. Schon das Eröffnungsstück I Used To Have A Woman ist ein solcher Titel, der schon oft gehörte Klagegesang eines schlecht behandelten Ehemannes. Howlin‘ Wolfs Commit a Crime wird von Straus selbst gesungen, allerdings vermeint man im ersten Moment Koko Taylor zu hören. Der Titel – bekannt von Stevie Ray Vaughans Aufnahme auf Live Alive kommt hier mehr im Stile Hubert Sumlins daher.
Waiting on You ist so deutlich ein Lied im Stile B.B. Kings, dass man beim Einsetzen des Gesangs zunächst kurz erschrickt, nicht die Stimme des «King of the Blues» zu hören. Auch hier eine meisterliche Beherrschung der King’schen Phrasierung. Eindrücklich sind hier nicht nur die perfekt gesetzten Noten, es ist bei jedem Ton die perfekte Phrasierung des späten B.B. King. Auf dem folgenden Titel I’m about to Lose my Mind könnte es dann gleich der junge King sein, der spielt. Something for Nothing wiederum erinnert atmosphärisch an Stormy Monday. Auf dem Titel Millwheel zeigt er den dröhnenden Ton eines Stevie Ray Vaughan, der grossartig mit dem Saxophon Sax Gordon Beadlesgepaart wird.
Als letztes elektrisches Stück gibt es mit Trying To Get You Off My Mind nochmal einen Kracher mit klassischer Chicago-Besetzung mit Klavier und Bluesharp. Die CD schliesst mit If I Ever Get Lucky, einer Eigenkomposition von Strauss in Form eines akustischen Gitarrensolo mit Gesang. Auch hier: Höchst präzise Reproduktion der Vorbilder, am meisten drängt sich der Vergleich mit Buddy Guy auf, dessen perkussive Brillianz Strauss hier kopiert.
«Sax» Gordon Beadle ist einer von zahlreichen Gastauftritten, mit denen Kai Strauss sein Album schmückt. Und weil die meisten Gäste den Gesang übernehmen, ist der Gesang auf der CD hervorragend, ein würdiger Gegenpart zum Gitarrenspiel. Und es erspart Strauss die Aufgabe des Sängers selbst erfüllen zu müssen. Wie er im oben erwähnten Video sagt, ist er ein brauchbarer Sänger für einen Gig, aber wenn es um die Wurst geht, muss man schon jemanden haben, der höhere Ansprüche erfüllt. Das hat er grossartig geschafft. Seine über Jahre ausgesuchten und zusammengetragenen Gäste bringen jeder für sich etwas Spezielles zu den Aufnahmen. Wenn er selbst singt wie auf Commit a Crime oder dem akustischen Abschluss ist sein Gesang wie von ihm selbst beschrieben: solide und gut, aber nicht der Grund, in ein zweites Konzert zu gehen.
Das ist mit seinem Gitarrenspiel tatsächlich anders. In diesem Video gibt es einen «Trailer» der CD zu hören, d.h. von den Songs werden kurze Ausschnitte angespielt. Aber der Trailer ist mehr ein Teaser, denn wenn man das ganze Schatzkästchen hören will, muss man sich das Album beschaffen.
Kai Strauss Electric Blues (2014)
Special Guests: Sugar Ray Norcia, Darrell Nulisch, Keith Dunn, Sax Gordon Beadle, Boyd Small, Doug Jay, Christian Rannenberg
Doug Jay Gesang, Harmonica
Kai Strauss Gitarren
Erkan Özdemir Bass
Jasper Mortimer Bass
Mo FurhopBass
Henk Punter Schlagzeug
Klaus Schnirring Schlagzeug
Alex Lex Schlagzeug
Christian Bleiming Klavier
Jimmy Reiter Gitarre
Josh Fulero Gitarre
Gordon BeadleTenor Sax
Thomas Feldmann Bariton Sax
Uwe NolopTrompete
Gentleman John StreetOrgel
Benjie PoreckiOrgel
1. | I Used To Have A Woman | 5:15 |
2. | Commit A Crime | 4:10 |
3. | One Woman Man | 3:03 |
4. | Hard Life | 4:59 |
5. | Home In My Heart | 3:03 |
6. | Highway Blues | 5:07 |
7. | When The Cat Is Gone The Mice Play | 2:59 |
8. | Waiting On You | 3:26 |
9. | I'm About To Lose My Mind | 5:00 |
10 | You're The One | 3:01 |
11. | Millwheel | 4:01 |
12. | Something For Nothing | 4:26 |
13. | Trying To Get You Off My Mind | 4:26 |
14. | If I Ever Get Lucky | 3:46 |