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www.bluesnews.ch - Musik

Dave and Phil Alvin Common Ground the Songs of Big Bill Broonzy

Nicht Fisch und nicht Fleisch

Die beiden Brüder Dave und Phil Alvin stammen aus Downey, Kalifornien, und sie haben 1979 die Band The Blasters gegründet. 1986 allerdings waren sie bereits so zerstritten, dass der zwei Jahre jüngere Dave die Band verliess und eine Solo-Karriere aufbaute, während Phil weiterhin bei der Band verblieb. Nach 30 getrennten Jahren habe sich die beiden nun erneut zusammen getan auf der Suche nach ihren musikalischen Wurzeln und sie haben ein Album eingespielt, auf dem sie die Songs von Big Bill Broonzy (1893-1958) einspielen. Die beiden Brüder Alvin haben eine Karriere in Rock und Country-Musik hinter sich und die Art, wie sie hier mal eben die Songs von Broonzy einspielen, konnte in keiner Weise überzeugen. Die stilistische Diversität ist viel zu gross und wird dem Werk Broonzys nicht gerecht. Vor allem aber sind die Aufnahmen nach einer langen Karriere im Country-Rock einfach zu wenig Blues.

Ich gebe zu, ich habe noch nie von den Brüdern Alvin gehört, aber nachdem ich ihr erstes gemeinsames Album in über 30 Jahren angehört habe, muss ich sagen, dass ich darüber nicht allzu traurig bin. Die beiden Brüder hat offenbar das absehbare Ende der irdischen Existenz wieder zusammen gebracht hat, wie die Website Grammymuseum.org andeutet. Davor waren sie tief zerstritten und seit dem Aussteigen Daves bei den Blasters gab es an gemeinsamen Projekten nur eine Reunion Tour im Jahr 2003 und wenige gemeinsame Aufnahmen auf dem Musical Ghost Brothers of Darkland County von John Mellencamp sowie auf Daves letztem Album Eleven Brothers.

Bei allen Presseterminen haben die beiden darauf hingewiesen, dass die Musik on Broonzy das einzige war, worüber sie sich nie gestritten hätten, was wohl heisst, dass sie einander mit der ausgesuchten Ablehnung begegnen, die man von musikalischen Familien gut kennt, man denke nur an die Everly Brothers. Für einen Eindruck der beiden Brüder gibt es hier ein auf Youtube veröffentlichtes Video-Interview.

Mich interessierte, wie sie die 12 Songs von Broonzy umsetzten, diesem Giganten des Country-Blues und Wegbereiter des Chicago-Blues, der wunderschöne Titel geschrieben hat, wie auch hier wieder zu hören ist. Allerdings dringt man nicht zu den Country-Blues-Titeln durch, sondern die Musik wird in einer Country-Sosse ersäuft, die zumindest für mich schwer zu ertragen war. Nun mag man mich als Blues-Polizei abtun oder als Puristen, aber es geht nicht darum, wie die Songs umgesetzt wurden, dass sie weniger Country-Blues als vielmehr  Country-Rock sind. Es geht darum, dass man den Songs des grossen Poeten Big Bill Broonzy auf diesen Aufnahmen nicht gerecht wird, weil die beiden Brüder die Songs schon lange kennen, also spielen sie sie mal eben ein.

Vor allem bietet die CD einen stilistischen Mischmasch, der einen musikalischen und stilistischen roten Faden vermissen lässt. Der Einsteiger All by Myself ist ein hübscher Country-Blues-Titel, nahe am Original, wobei bereits auffällt, dass die Sangesstimmen der beiden Brüder den Jahren Tribut zollen mussten. Ihr Gesang ist alles andere als kräftig und verglichen mit den dröhnenden Originalaufnahmen der 1930er bis 1950er Jahre klingt dieser mit modernem Equipment aufgezeichnete Gesang dünn und brüchig.

Doch dann geht es los: Country-Song folgt auf Rocksong, ein Chicago-Blues dazwischen (Just a Dream) und mit Truckin’Little Woman folgt ein Shuffle, der viel zu schnell ist für den Song und ihn dadurch plattwalzt. Vergleicht man mit der «Chess»-Aufnahme von Willie Nix, wird offenbar, wie lieblos die Alvin-Aufnahme ist. I Feel so Good, der durch Broonzy selbst (auf 1955 London Sessions) und vor allem durch Muddy Waters bekannt ist, wird hier mit einem Piano-Intro eingeleitet, nur um dann mit etwas zu viel Groove gespielt zu werden, der Titel kann nicht mehr atmen, die Pausen werden zugepflastert. Erneut kommt zudem der Gesang flach raus, vor allem verglichen mit Muddy Waters. Ein anderes Beispiel ist Tomorrow; ein Titel den ich von Broonzy selbst nicht kenne, der aber hier zu einer rasanten Tanznummer verkommt, die nichts mehr bluesiges hat.

Bekanntlich sind diese Dinge alle Geschmackssache, und ich mag den zerstrittenen Brüdern auch wirklich eine Versöhnung von Herzen gönnen. Wenn dies über die Musik von Big Bill Broonzy möglich wird, dann ist das auch toll, aber es hätte gereicht, wenn sich die beiden in die Küche gesetzt und zusammen gespielt hätten, die dabei entstandene CD ist als unausgegorener Schnellschuss und relativ respektloser Abklatsch eines hoch verehrten Originals abzulehnen.

Dave and Phil Alvin Common Ground : Dave Alvin & Phil Alvin play and sing the Songs of Big Bill Broonzy (2014)

Dave Alvin Gesang, Gitarre, Produzent
Phil Alvin Gesang, Gitarre, Blues-Harp         
Gene Taylor Piano
Bob Glaub Bass
Brad Fordham Bass
Don Heffington Schlagzeug
Lisa Pankratz Schlagzeug
 

1. All by Myself 3:29
2. I Feel So Good 4:10
3. How You Want It Done? 3:00
4. Southern Flood Blues 4:30
5. Big Bill Blues 3:19
6. Key to the Highway 3:48
7. Tomorrow 3:22
8. Just a Dream 3:53
9. You've Changed 3:13
10. Stuff they Call Money 4:44
11. Truckin' Little Woman 3:09
12. Saturday Night Rub 2:08