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Richard Bargel Its Crap

 

Mit über 40 Jahren Bühnenerfahrung ist es bestimmt schwer, neue Wege zu beschreiten. Richard Bargel sah sich dazu gezwungen und er hat es gepackt. Mit It’s Crap meldet sich der äusserst vielseitige Musiker, der vor allem mit dem Slide-Spiel und seiner Stimme als Musiker, Sänger und Sprecher bekannt wurde als Gitarrist und Songschreiber zurück mit dieser Kollektion eigener Songs, die gefühlvoll und berührend wirken, denn sie werden weitgehend nur akustisch begleitet. Die CD enthält 12 Titel und sie schöpft die stilistische Bandbreite der Roots-Musik aus, so gut es geht. Country ist ebenso wie Blues in den Mix gekommen, als Brücke zwischen allen Stilrichtungen funktioniert Richard Bargels sonore und sehr eingängliche Gesangsstimme und sein Slide-Spiel auf der Dobro. Ein interessanter Versuch, die Wege zu gehen, die das Leben einem vorgibt, und dabei die eigene Kreativität ausleben zu können. Mit Richard Bargel muss man wohl in Zukunft als Singer-Songwriter rechnen. An manchen Stellen erinnert Bargel an Johnny Cash auf seinem Spätwerk American Recordings, dann scheint Ry Cooder das Slide zu führen. Eine wirklich schöne CD!

Im Jahr 2012 hat Richard Bargel, der Gitarrenveteranen und Meister der Slide-Gitarre nach über 40 Jahren auf den Bühnen als Blues-Gitarrist einen Hörsturz erlitten. Nach einer reichen Laufbahn mit zahllosen Kooperationen und einer vielseitigen Karriere war dies das Signal, etwas kürzer treten zu müssen. Der Hörsturz beendete leider auch sein seit 2008 sehr erfolgreich verfolgtes Duounternehmen Men in Blues, für das er mit Klaus «Major» Heuser, dem B.A.P.-Gitarristen zusammengespannt hatte und deren CD verdientermassen erfolgreich war. Der Hörsturz zwang ihn zur Ruhe und zur ruhigeren Musik, also begann Richard Bargel, neue Songs zu schreiben und rein akustische Arrangements auszuprobieren und er formte eine neue Band, in der unter dem Namen Dead Slow Stampede im Kern aus vier Musikern bestand, neben Bargel, Gitarrist Roger Schaffrath, Bassist Paul G. Ulrich und am Schlagzeug der Niederländer Geert Roelofs.Alle drei sind eine Offenbarung, eine äusserst gefühlvolle Band, die mit grosser Versatilität spielt und den gesamten Bereich der Roots-Musik abdeckt. Mitunter mit Hilfe von Gastauftritten, aber die Substanz des Kernquartettsist bereits unwahrscheinlich. Im Zentrum der Musik bleibt Richard Bargel, dessen Präsenz auf allen Titeln gewaltig scheint. Insgesamt hat das Album den Charakter eines Soloalbums, auch das erinnert an Cash.

Trotz der wunderbaren Begleitung ist diese CD nicht durchgehend toll, eher eine Sammlung von «Hits and Misses», manche Titel sind zum Niederknien, andere empfand ich als etwas angestrengt. So beginnt die CD mit dem Titelsong It`s Crap, der Radio- und Fernsehprogramme, die Medienpampe in den Zeitungen und überhaupt alles mögliche mit dem im Titel genannten Ausruf bedenkt. Natürlich ist vieles an der modernen Welt Scheisse, da mag er ja recht haben, aber der Song kommt gleichwohl als etwas undifferenziertes Rumgemotze rüber. Aber man bilde sich selbst ein Urteil, auf seiner Homepage gibt es eine Youtube-Aufnahme von It’s Crap mit Charlie Musselwhite.

Leichter geht es dann bei Autumn Blues zu, einem eigentlichen Country-Titel, der sehr schön gespielt wird, Bargel erinnert nicht nur im Intro an Ry Cooder. Slow Moving Woman bringt ein auffälliges Geigensolo, insgesamt vermittelt der Titel ein deutliches Van Morrisson-Feeling, ein sehr schöner Titel, der die Grenzen zwischen Country und Blues auslotet. You Got No Brains ist musikalisch dominiert von der Tuba, die hier den Basspart übernimmt, der sicherlich ironisch gemeinte Text macht sich über schöne, aber hohle Frauen lustig, aber erneut wie schon im ersten Song empfand ich es als stereotypes Songwriting.

Der durch Charlie Musselwhite veredelte Titel Devils Bar-Be-Que ist selbstredend ein Chicagoblues. Musselwhite und Bargel haben seit den 1980er Jahren zusammen gearbeitet, und entsprechend vertraut geht es auf dieser Aufnahme zu. Herausragend hier das Schlagzeug. Der Niederländer Geert Roelofs steht hier in bester Tradition und spielt perfektes Bluesschlagzeug, treibend, aber stets fein. Bargel fällt der Gesangspart nicht ganz leicht, an manchen Stellen vernuschelt er den Text.

Der längste Titel des Albums, Lady Of The Black Bamboo ist ein Slide-Showpiece mit der geheimnisvollen Atmosphäre einer Voodoo-Höhle. Die «Lady of the Black Bamboo» ist eine Femme Fatale des Swamps, ihr Kuss ist giftig und sie ist mit einer schwarzen Schlange tätowiert.

Bad Manners ist dann reinster Robert Johnson. Ganz eindeutig am Spiel Johnsons orientiert, ist dies einer der stärksten Titel der CD, Country Blues vom Allerfeinsten! Auch die im Text zum Ausdruck gebrachte Forderung nach etwas mehr Anstand in der Welt ist in der vorgebrachten Form sicher zu unterschreiben. Stray Cat beginnt als Solo-Titel, nur die Slide-Gitarre, ehe dann eine feine zweite Ebene von Mandolinenbegleitung dazukommt. Erneut stellen Bargel und Schaffrath unter Beweis, dass Dobro mit Slide und Mandoline eine wunderschöne und sehr melancholische Mischung von Klangfarben ist. Musikalisch konnte dieser Song am Besten überzeugen.

Auf Done and Out kommt dann doch noch die E-Gitarre zum Einsatz. Dies ist ein klassischer Rocksong mit Riff, Strophe, Solo, alles in 3:56. Irgendwie empfand ich den Titel als wenig zwingend, fast schon überflüssig, da er die Stimmung zerreisst, die aufzubauen Bargel sich zuvor so viel Mühe gab. Little Children Blues, ein Traditional, ist erneut ein in diesem American Recordings-Stil produzierter Titel, erneut engagierter Text, Rootsbegleitung. Out of Tune ist eine wunderbar selbstironische Klage die Probleme des Musikers, seiner Nachbarn und seines Selbstbewusstseins. Laurenz Gemmer streut ein zuckersüsses Pianosolo ein. Erneut ein sehr starker Song.

Ein beschauliches Ende ist Will Your House Be Blessed, ein von Altersweisheit getränktes Bluesgebet, geschrieben von John B. Spencer. Gänsehaut zum Abschluss. Gesang und Slide-Gitarre sind hier wahrhaft vereint. Richard Bargel verabschiedet sich als Solist.

Auf der CD mit Heussel realisierten Scheibe Men in Blues wirkte Bargels tiefe Basstimme so wie J.J. Cale oder Mark Knopfler, was aber auch viel mit der elektrischen Begleitung zu tun hat. Ging der winzige aber doch deutlich hörbare Deutsche Akzent im Englischen bei einem Power-Blues unter, so ist der Akzent bei diesen luftigen und sehr transparenten Titeln dem authentischen Country-Feeling abträglich. In den Bluestitel stört es interessanterweise weniger als bei den Country-Nummern. Die Atmosphäre von Johnny Cashs Spätwerk entsteht so immer wieder nur ansatzweise.

Dies ist insgesamt ein Album, bei dem ein Vollblutmusiker einen neuen Weg sucht, seine Kreativität weiter auszuleben. Die stilistische Vielfalt verschafft Bergel hoffentlich eine breite Anhängerschaft. Möge seine Kreativität weiterhin so sprudeln.

 
Richard Bargel & Dead Slow Stampede - It´s Crap (2014)
Richard Bargel (Gesang, Dobro, Akustische Gitarre, Banjo)
Roger Schaffrath (Elektrische Gitarre, Mandoline)
Paul G. Ulrich (Kontrabass)
Geert Roelofs (Schlagzeug, Perkussion)
Joachim Gellert (Tuba)
Laurenz Gemmer (Klavier)
Noel Stevens (Hammond)
Special Guests:
Freddy Koella (Geige, Mandoline - # 2,3,10,12)
Charlie Musselwhite (Harmonica - # 1,5)
 
1. It`s Crap 4:56
2. Autumn Blues 4:59
3. Slow Moving Woman 4:44
4. You Got No Brains 3:48
5. Devils Bar-Be-Que 3:03
6. Lady Of The Black Bamboo 5:36
7. Bad Manners 2:37
8. Stray Cat 5:29
9. Done And Out 3:56
10. Little Children Blues 3:10
11 .Out Of Tune 3:47
12. Will Your House Be Blessed 4:22