Buchbesprechung Blues Booze and BBQ
HAUSAUFGABEN
Der Fotoband Blues Booze and BBQ von Michael Loyd Young ist brandneu. Aber das spielt eigentlich keine grosse Rolle, denn der junge Fotograf aus Houston, Texas zeigt Dinge so, wie sie seit mindestens fünfzig Jahre waren: die Schönheit der Menschen und Landschaften im Mississippi Delta. Dabei dokumentiert er die Dinge wahrheitsgetreu mit seiner Kamera, bedient damit aber auch gleichzeitig jedes Klischee über das Delta, das man jemals gehört hat. Es gibt die Bilder als Photoband oder auch übers WWW. Und wer immer schon mal gerne ins Delta wollte, für den ist dies ein schöner Türöffner. Von Memphis nach Greenville: 150 Meilen in der mythologischen Geburtsstätte des Blues.
Das Mississippidelta ist bekanntlich der Teil der USA, in dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Musik ihren Ursprung nahm, die wir als Blues kennen. Die Genealogie der Authentizität geht über Charlie Patton, Son House, Robert Johnson, Willie Brown, Robert Lockwood, Johnny Shines endlich zu Muddy Waters und damit als «The Blues» in die Welt hinaus. Selbstverständlich gab es auch andere Blues-Traditionen wie jene in den Carolinas, in Texas oder die aus der Theaterform der Minstrels hervorgegangene Form des Vaudeville-Blues, aber jener aus dem Delta wird von vielen Freunden des Blues als die authentische, gleichermassen die orthodoxe Form verehrt. So will es die Blues-Geschichtsschreibung. Und der Mythos besagt weiter, dass es nicht nur an den soziohistorischen Umständen gelegen hat, sondern das Delta selbst bringt den Blues hervor, indem es als äusserst fruchtbares Schwemmland die Baumwolle wachsen lässt, wegen der ja die Menschen, die den Blues erfanden, dorthin gebracht wurden.
Deswegen ist ein Besuch im Delta eine Herzenswunsch vieler Bluesfans, und auch die Bluesnews-Redaktion hat diese «Pilgerfahrt» absolviert. Dabei sieht man eben nicht nur die «Heiligen Stätten des Delta-Blues», wie ein Reiseführer verspricht, sondern auch die Landschaft und die Menschen, die noch immer in diesem ärmsten Staat der gesamten USA wohnen. Eine Fahrt durch die Gegend südlich von Memphis, Tennessee ist eine Reise ins dunkle Herz Amerikas, in die Gegenden, in die der Glamour der USA nicht reicht. Dieser Teil ist das Gegenstück zum Amerika der Fassaden, des oft allzu oberflächlichen «hello, so nice to see you». Vielleicht ist es, weil wenn man hier Menschen trifft, sind sie entweder aus der gegend oder es sind Fremde, die aber der Gegen freundlich gewogen sind. Denn wieso würden sie sonst herkommen?
Die Menschen sind freundlich, sie wissen zu feiern, sie leben mit der Hitze und der Schwüle und der Armut und den Rassenungleichheiten scheinbar seit Menschengedenken. Michael Lloyd Young ist ein Fotograf, der auf der Welt herumreist und versucht, das Leben so aufzunehmen, wie es wirklich ist, und dies tut er in diesem Werk mit dem Delta: 150 Meilen entlang Highway 61 von Memphis nach Greenville. Dabei kommt er durch Clarksdale, Indianola und an einem kleinen Bahnhof, an dem W.C. Handy einst die Musik wahrgenommen haben will. Seine Photos zeigen zwar auch den Blues indem sie Musiker abbilden, aber vor allem zeigen sie die Welt, aus der der Blues stammt. Und deshalb sind es sicher mitunter Klischeebilder, aber sie gehen auch ans Herz. Diese Bilder ehrlich, gradlinig. Young machte seine Aufnahmen zu einem im Buch nicht spezifizierten Zeitpunkt, aber das Werk ist in Druckform 2009 erschienen. Aber die Bilder bleiben zeitlos. Der Eindruck ist nicht neu, dass im Delta die Uhren anders gehen, aber diese Bilder zeigen es.
Dabei ist das Leben alles andere als Stagnation. Die Menschen, die auf den Bildern abgebildet sind, seien es Schwarze oder Weisse, Einheimische oder Touristen, singen, lachen trinken, kurz: sie haben Spass am Leben: Weisse Konzertbesucher, Schwarze Kirchgänger, Strassenmusiker, Priester alle scheinen sie Archetypen zu sein, die mit einem Selbstverständnis vor der Kamera stehen, als ob ihnen sowieso nichts passieren könnte: sie haben schliesslich den Blues. Das Buch macht Spass, die Bilder lassen sich lange und intensiv studieren, denn sie sind voller Details: Rostspuren auf Strassenschildern, ein Hund trottet im Hintergrund vorbei, die Farbe blättert ganz leicht vom Putz. Und dazwischen Musiker, die auf den Strassen, in den Hallen, auf den Feldern und auf den Backporches Musik machen.
Michael Loyd Young - . Vorwort von David Alan Harvey (Magnum) - . Blues Booze and BBQ, 2009. ISBN 978-1-57687-512-4
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