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Schweizer Blues-Geschichte von Dinu Logoz

Schweizer Blues Pioniere

Dinu LogozUm als eine ernstzunehmende Kunstform anerkannt zu werden braucht eine Musikform mehr als bloss Musiker. Jede Musik braucht neben den Menschen, die sie spielen auch solche, die sie hören (das Publikum), solche, die sie aufnehmen und verbreiten (Toningenieure und Verlage) und schliesslich braucht sie Historiographen, welche das Narrativ formen und verbreiten. Eine Geschichtsschreibung des Schweizer Blues fehlte bislang und mit Dinu Logoz hat sich nun ein Zeitzeuge dieser lange vernachlässigten Thematik angenommen. Das so entstandene Buch Schweizer Blues Pioniere bietet die personenzentrierte Historiographie des Blues, die diese Kunstform am adäquatesten repräsentiert.

Die Geschichtsschreibung des Blues ist keine einfache. Wir alle, die wir uns mit dem Blues beschäftigen kennen die Erzählung, der zufolge die Work Songs der Sklaven auf den Baumwollfeldern die Grundlage bildeten für die Unterhaltungsmusik am Wochenende, zu der getanzt wurde. Von den Plantations im Delta hat sich die Kunstform dann weiter entwickelt, als W.C. Handy einen einsamen Musiker gehört haben soll und darauf seinen St. Louis Blues komponierte.

Aber vielleicht war es auch ganz anders: Andere Narrative des Blues betonen dessen Ursprung aus dem Vaudeville-Theater der Südstaaten, der Musiker Chris Thomas King argumentierte in seiner Monographie The Blues: The Authentic Narrative of My Music and Culture für eine urbanen Ursprung und ein erst allmähliches Vordringen in den ländlichen Raum Mississippis.

Die Historiographie des Blues bleibt dabei besonders anspruchsvoll, denn der Blues ist in seinem Kern keine bildungsbürgerliche Kunstform, die mit vielen schriftlichen Zeugnissen aufwarten kann. Viele Musiker waren nur begrenzt schriftkundig, und daher gibt es wenige auswertbare Quellen für die Geschichte des Blues.

In eingeschränkter Form gilt das auch für die Geschichte des Blues in der Schweiz. Als die ersten Musikenthusiasten erste Bluestöne spielten, galt ihre Aufmerksamkeit nicht in erster Linie der Niederschrift von Zeit, Ort und Mitmusikern. Musikfreunde konnten ab den späten 1950er Jahren in Form von Aufnahmen mit Jazz in Kontakt kommen, in den frühen 60er Jahren folgten dann Live-Auftritte und seit dieser Zeit ist Dinu Logoz ein Zeitzeuge, der auch noch die Tendenz hat, Dinge aufzuschreiben und zu archivieren.

Dinu Logoz ist daher hervorragend dafür prädestiniert, um eine Geschichte des Schweizer Blues zu schreiben. In Zürich aufgewachsen und bereits im Alter von 12 erstmals mit «schwarzer Musik» getreten, zeichnet er eine Geschichte des Blues, deren geographisches Epizentrum im Grossraum Zürich verortet wird. Wahrscheinlich würde ein Blues-Enthusiast aus Genf eine etwas andere Geschichte erzählen, aber auch das ist schliesslich die Schweiz: die Regionalität solcher Narrative gehört zur Schweiz wie die Mehrsprachigkeit oder die grünen Wiesen. Und so hat er dieses Buch verfasst, in dem er in 11 Kapiteln – zuzüglich eines Gastbeitrags von Chris Lange und einer Diskografie seiner Veröffentlichungen – das Entstehen des Schweizer Blues in den Jahren 1964–1966, 1967–1971, 1972–1975, 1976–1983, 1984–1988, 1988–1995, 1996–2005, 2006–2016 sowie 2017 bis 2021 beschreibt.

Daher ist diese Erzählung darüber, «wie der Blues Helvetia erreichte», auch die Geschichte, wie Dinu Logoz zum Blues kam, welche Begegnungen er auf seinem Weg hatte und welche Freundschaften er schloss. Logoz wurde 2019 mit dem Swiss Blues Award ausgezeichnet und in diesem Buch zeigt er auch, wieso er diesen verdient hat. Doch das Buch ist eben deutlich mehr als die Autobiographie des Blues. Dinu Logoz beschreibt und benennt viele Akteure und er zeichnet das Bild einer vielseitigen und vor allem von der Begeisterung getriebenen Szene. Tatsächlich liess sich mit dem Blues wohl immer auch etwas Geld verdienen, aber es ist definitiv nicht ein lukratives Business, ein schweizer Bluesman zu sein.

Dafür konnten frühe Vertreter der Musik mit den «Originalen» zusammen spielen, also den US-Musikern, die aus welchen Gründen auch immer in die Schweiz kamen und bereit waren, hier mit lokalen Musikern auf die Bühne zu treten. Logoz schildert die transkulturellen Schwierigkeiten beim Zusammenspiel mit den Vorbildern, beispielsweise «Champion» Jack Dupree.

Aber in erster Linie ist dies eine feine Schilderung einer sich allmählich herausbildenden Szene: Freeway 75, Hank Shizzoe oder Che & Ray heissen hier die Pioniere, die sich mit dieser Musik erstmals als Schweizer Blueser behaupteten. Und hier spart Dinu auch nicht mit klaren Aussagen wie jener, dass er verantwortlich sei für das Ende von Freeway 75.

Das Buch enthält naturgemäss ein gewisses Mass an Name-dropping, doch stets zeigt sich Logoz bemüht, für jede im Buch erwähnte Person eine kurze Charakterisierung oder ein Attribut zu geben, er versucht den im Buch erwähnten Personen gerecht zu werden.

Eine spezielle Rolle nimmt hier die Freundschaft und musikalische Partnerschaft mit Rolf «LL» Lüthi ein, die aufs Jahr 1988 zurückgeht, und die sich in einer grossen Anzahl an Formationen ausdrückt, darunter – im Buch mit einem eigenen Kapitel belohnt – die Acoustic Blues Brothers. Diese Formation, deren Name Logoz korrekt als «unspektakulär aber prägnant» bezeichnet, brachte eine ansehnliche Anzahl von Publikationen heraus und sie hob sich auch vom Gros der elektrischen Blueser ab, indem sie eben akustisch spielte und die nuancierten Zwischentöne suchte.