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Gary Moore (1952 - 2011)

Der König der cremigen Soli

 

Legende, Ausnahmegitarrist, Bluesrock-Urgestein. Als solcher wird Gary Moore nach seinem plötzlichen Ableben am 6. Februar bezeichnet, und im Internet sind Seiten von betroffenen Leserbeiträgen zu überfliegen, auf denen der allgemeinen Bestürzung Ausdruck verliehen wird über den Tod des irischen Gitarristen und Sängers, dem ehemaligen Mitglied von Thin Lizzy und Skid Row. Ein Nachruf und der Versuch einer kritischen Würdigung.
 

Gary Moore ist, wie die Medien allgemein bekannt geben, in einem Hotel an der Costa del Sol tot im Bett aufgefunden worden, er wurde nur 58 Jahre alt. Eric Bell, Moores Vorgänger bei Thin Lizzy beeilte sich zu betonen, dass Moore «kein Rock-Opfer» sei, vielmehr beschrieb er ihn als «robust» und «gesunden Kerl». Dies ist offensichtlich keine korrekte Einschätzung und die Eile dieser Verlautbarung überrascht etwas. Aber der Eindruck bleibt doch: auf Bildern sah Moore in jüngeren Jahren oftmals aufgedunsen und eher ungesund aus. Gary Moore war nicht aus beruflichen Gründen in Spanien, er machte offenbar Urlaub, was immerhin tröstlich ist.

Selbstverständlich ist es traurig, dass Gary Moore schon so früh gegangen ist, er war ein toller Gitarrist und unermüdlicher Live-Musiker, der den Menschen Freude machte. Und doch lässt sich auch argumentieren, dass seine beste Zeit bereits vorbei war, und dass der Belfaster Gitarrenhexer doch wirklich seinen Stil gefunden hatte, und diesen nur noch endlos zelebrierte. Er hatte das Leben eines Rockgitarristen gelebt und das war nach eigenem Bekunden sein Traum, seit er mit acht die erste Gitarre angefasst hatte. Gleichzeitig ist es auch das Schicksal und die Eigenheit Gary Moores, dass er wenig Neues und Eigenes kreierte, er übernahm von anderen und versuchte dies abzuwandeln und zu personalisieren. Dies gilt für sein Repertoire ebenso wie für seinen unverwechselbaren Gitarrensound. Es gilt sogar für sein legendäres Solo in seinem Nummer 1-Hit Still Got The Blues (for You). Ein Gericht in Deutschland entschied im Dezember 2008, dass Moores Solo ein Plagiat sei. Das Original stammt aus dem Jahr 1974 und wurde war das Solo auf dem Song Nordrach einer Band namens Jud's Gallery. Der Link führt zu Vergleichsaufnahmen der beiden Soli auf Youtube.

Musikalische Weiterentwicklungen waren jedenfalls nach dem Ende der 90er Jahre kaum mehr zu erwarten, wenn auch einige interessante Projekte zuvor immer wieder aufhorchen liessen. So nahm Gary Moore 1994 den Platz von Eric Clapton ein, als er mit Jack Bruce und Ginger Baker das Album Just Around the Next Dream einspielte. Man nannte sich damals schlicht BBM und die Aufnahmen sind elf Jahre älter als die Cream Reunion in der Royal Albert Hall. Dieses Album ist wirklich noch immer ein Vergnügen anzuhören, und hinter Bruces Gesang kann sich Moore aufs Spielen konzentrieren. Auch seine Hommage an ein anderes Vorbild ist eine wirklich gelungene Aufnahme: Das Album Blues For Greeny von 1996, wo er Peter Green die Referenz erweist. Er bleibt hier in seinen sonstigen Ausdrucksformen eingeschränkt, weil die Länge der Stücke Grenzen setzt, und er somit seiner wichtigsten Ausdrucksform entledigt ist: dem langen, dick cremigen Gitarrensolo.

Gary Moore war sicherlich der König, wenn es darum ging, ein schmachtendes Slow-Blues Gitarrensolo abzuliefern. Er drehte am Amp die Regler auf und liess die Les Paul singen: Still Got The Blues, Parisienne Walkways, Story of The Blues, The Sky Is Crying, Falling in Love With You, Need Your Love So Bad, Jumping at Shadows, The Messiah Will Come Again, die Liste liesse sich verlängern. Auf all diesen Titeln bringt Moore ausgedehnte Soli, in denen er mit langen Einzeltönen die Spannung aufbaut, und diese dann mit einer ekstatischen Kaskade von Tonleitern auflöst. Ich habe keine Ahnung, auf wie vielen Kuschelrock-Kompilationen Moore enthalten ist, aber wenn er nicht einer der Regulars ist, gehört eigentlich der Redaktor der Reihe gefeuert.

Daneben spielte er als zweites «Standbein» Powerrock-Songs, auch in dem, was man als seine «Blues-Phase» bezeichnet liest. Sei es ein Cover von Otis Rushs All Your Love (I Miss Lovin’), Further On Up The Road von Joe Medwich Veasey and Don D. Robey (bzw. Bekannt durch Bobby «Blues» Bland), Jimmy Rogers Walking By Myself, Albert Kings Pretty Woman oder seine Eigenkomposition King of the Blues, stets brachte er in diesen Temposongs eine eindrückliche Leichtigkeit in die Begleitung und die Soli, eine Flüssigkeit in seinen ineinander verlaufenden Tonlinien, und dieses unbedingte Legato ist es, das sein Markenzeichen war, und das den Kern seines Gitarrenspiels ausmachte, sei es bei den langsamen oder den schnellen Songs.

Gary Moore war ein toller Gitarrist, ein Vertreter des Blues in allen Stilrichtungen, er blieb vielleicht in seinen Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt, und doch begeisterte er viele Menschen mit seiner Musik, unzählige Jugendliche schmusten zu seinen cremigen Soli, und er lebte das Leben eines Rockstars, brachte es vom Belfaster Jungen zum gefeierten Gitarrenhelden. Wenn das kein erfülltes Leben ist, dann weiss ich auch nicht.