Musikmesse 2019 Nachlese
Liebe zum Detail
Bluesnews.ch war nach einem Jahr Unterbruch mal wieder in Frankfurt am Main an der Musikmesse. Bluesnews.ch besucht sei 2014 die Musikmesse, und in dieser Zeit wurde diese zusehends kleiner und kleiner. Während in jenem Jahr der 60ste «Geburtstag» der Fender Stratocaster gross begangen wurde, fand sich in diesem Jahr nicht mal mehr ein Stand von Fender auf der Messe. Der Abwärtstrend setzt sich leider fort, dennoch gab es bei genauer Betrachtung eine Reihe von interessanten Neuentwicklungen rund um Musikinstrumente. Waren es in früheren Jahren insbesondere Gitarren, so sind es in diesem Jahr ebenso Zubehör-Artikel für traditionelle Instrumente, die uns begeisterten. Vor allem wurde ein Problem einer Lösung zugeführt, das lange schwelte: Wie übt man zuhause Trompete, ohne die Nachbarn zu belästigen? Die Antwort kommt aus Österreich, und sie ist so einfach wie begeisternd.
Die Frankfurter Musikmesse hat sich im Verlauf der letzten 5 Jahre von einem grossen Event zu einer leider sehr überschaubaren Veranstaltung reduziert. Waren es 2014 noch mindestens vier Hallen, auf denen Aussteller ihre Produkte und Entwicklungen darboten, so gab es in diesem Jahr grad mal eine Halle mit 2 Stockwerken für Instrumente und ein halbes Stockwerk für Bühnentechnik, Sampling und Beleuchtung. Immerhin durften in diesem Jahr die Händler wieder verkaufen, ohne dass sich die Messeverwaltung einen Anteil sichern wollte. Der Versuch, sich nach dem Abkassieren der Standgebühren und dem Erheben von Ticketpreisen bei den Besuchern auch noch beim Verkauf zu bereichern führte vor zwei Jahren zu massiver Kritik. Ob der Verzicht auf solche Praktiken reicht, um den Niedergang der Messe aufzuhalten, ist fraglich.
Die «grossen» Namen waren alle abwesend, das gilt für Tasteninstrumente (Fazzioli oder Steinway) ebenso wie für E-Gitarren (Gibson, Fender und Gretsch waren alle abwesend, sogar die in Deutschland produzierten Dusenberg glänzten durch Abwesenheit), Pickups (2014 war Häussel an der Messe) und Amps (z.B. Hughes und Kettner). Somit ist die Messe mehr ein Stelldichein für kleine Händler, für Tüftler und Leute, die eine spezifische Marktlücke erkennen. So gab es einen Händler, der ausschliesslich Nitro-Lacke verkaufte, eine Reihe von Holzhändlern, die schön gemaserte Decken für Streich- und Zupf-Instrumente anboten oder einen Hersteller von hoch differenzierten Saxophon-Blättchen, die mit ihren jeweiligen klanglichen Charakteristika angeboten wurden. Was die Schweizer Händler angeht, so waren dieses Jahr die findigen Geister von Relish Guitars auf der Messe nicht vertreten, dafür hatte die Tessiner Firma Schertler, Experte für Verstärker zu akustischen Gitarren, einen schönen Stand.
Mute-Tube
Auf dem Messebesuch fielen uns insbesondere vier Produkte auf, die wir erwähnenswert finden. Diese sind für Blechbläser, Streicher und E-Gitarristinnen und E-Gitarristen. Die genialste Erfindung schien uns dir sogenannte «Mute-Tube» zu sein, ein Gerät, das man benutzt, um zuhause Trompete oder Flügelhorn zu üben. Das Gerät ist im Prinzip nichts weiter als eine mit speziellen schallabsorbierenden Materialien ausgekleidete Röhre mit Boden, in die man hineinspielt. Je tiefer der Schalltrichter in der «Mute-Tube» verschwindet, desto deutlicher ist die Reduktion der Lautstärke. Für den Musiker oder die Musikerin aber ergibt sich kein Unterschied, denn alles Hörbare kommt zum Loch wieder raus und deshalb hört man gut, was man selbst spielt. Der Mute-Tube gibt es auch mit der Möglichkeit, ein Mikrophon zu installieren, und dann kann man in einem Studio die Trompete neben anderen Instrumenten aufnehmen. Der Mute-Tube ersetzt somit in eleganter Weise Schallkabinen. Die Firma Mute-Tube aus dem österreichischen Hippach verkauft den Schalldämpfer alleine für € 295.-, als Zusätze gibt es einen Notenhalter und ein Teleskop-Dreibein, für das man einen separaten Adapter braucht, um mit der Mute-Tube im Stehen üben zu können.
Während des Besuchs am Stand kam ein chinesischer Musikalienhändler mit einer Art chinesischen Trompete, einem Doppelrohrblatt-Instrument, einer sogenannten «Suona», und mit dieser funktionierte es genauso gut. Das österreichische Produkt kommt bei Posaunen an die Grenzen, denn der Auszug kollidiert mit dem Schalldämpfer und die Öffnung scheint zu klein. Der Hersteller meinte aber, es gäbe auch ein Konzept für Tuba und Euphonium: dieses besteht aus einer Glocke, vergleichbar einem «Rauchabzug» in der Küche, unter den man sich zum Üben stellt. Aber während dies wohl nur für Profis interessant ist, scheint die Mute-Tube auch für Amateure interessant, die sonst immer zum Üben in den Keller oder in den Wald flüchten mussten.
Piezo für akustische Saiteninstrumente
Akustische Instrumente wie Ukulelen, Gitarren, Geigen, Bratschen, Celli oder Bässe werden schon lange mit Piezo-Tonabnehmern verstärkt. Bei den Produkten der US-Firma KNA Pickups aus Rancho Cordova überzeugte die Verarbeitung und die Vielseitigkeit. Ich weiss nicht, ob es schon einen Tonabnehmer für Banjos gab, aber hier zählt ein solcher zum Programm. Produziert im bulgarischen Plovdiv bestechen die Tonabnehmer durch Schönheit wie Funktionalität. Alle Pickups lassen sich ohne beschädigende Manipulation des Instruments vornehmen, und insbesondere für Geigen gibt es ein schönes Konzept in drei verschiedenen Ausführungen, das auf dem kleinen Körper einer Violine weder die Balance stört noch die Bespielbarkeit. Bei Cello und Bass werden die Jacks für die Kabelstecker an der «Zunge» montiert, also am Saitenhalter.
Gitarren
Das hauptsächliche Augenmerk wie auch der Grossteil der Anbieter orientiert sich an der Gitarre, dem populärsten Instrument, insofern gab es hier auch manche Neuerung, trotz der erwähnten Abwesenheit der grossen Player. Die schuf Platz für mehr Einzelfiguren:
«Marmorstein und Eisen bricht» war offenbar die Idee eines italienischen Verarbeiter von Naturstein, und so machte er sich dran, eine Gitarre aus Stein zu fertigen. Man nehme also eine traditionelle Telecaster und ersetze den Körper durch ein Stück Marmor, in das man mit Metallrahmen die Elektronik einsetzt und mit einem Standardhals verschraubt: fertig ist die Stone-Gitarre. Die Gitarren wirken tatsächlich wie aus Stein gemacht, doch aus Gewichtsgründen handelt es sich um ein Stein-Furnier auf einem Holzkörper. Neben dem Tele-Modell gibt es auch eine rundere Form, die an die Steve Lukather Gitarre von Music Man erinnert mit tiefem Cutaway und flacher Decke. Die Instrumente sind Einzelstücke und offensichtlich das Produkt einer Leidenschaft. Es wird bestimmt kein Massenmarkt sein, aber die Instrumente überzeugen optisch und sie entsprechen der Qualität von Konkurrenzprodukten. Dafür sind die Instrumente mit rund 6000 Euro an der oberen Grenze der Preisspektrums.
Aus Schweden kam der Aussteller Toolguitars. Dieser stellt traditionelle akustische Instrumente her, sowohl klassisch wie auch als Stahlsaiter, herkömmliche Gitarren mit Schalloch. Für knapp unter 1600 Franken (14,500 Schwedische Kronen) bietet die Firma ein Instrument an, das die Ansprüche skandinavischen Designs zu erfüllen scheint. Sowohl im Sitzen wie im Stehen am Gurt überzeugte die in leuchtendem Orange gehaltene Gitarre, die auch minimalistisch ausgestattet ist: zwei nicht splitbare Pickups, 2 Potis für Ton und Volume und den Selector, das war’s. Der Reverse Headstock passt perfekt zum leicht verfremdeten, und doch funktionalen Design des Instruments.
Auf der Messe gab es eine gemeinsame Ausstellfläche für Kleinsthersteller, also Ein-Personen-Betriebe, die bekanntlich oftmals hervorragende Instrumente bauen. Hier beeindruckte der slowenische Gitarrenbauer Mitja Mithans. Sein Label Mithans Guitars bietet hochqualitative Instrumente, die das gewisse Etwas auf jeden Fall mitbringen. Die an der Messe präsentierte Produktpallette könnte herkömmlicher nicht sein: es gibt die drei Körperformen Les Paul, Stratocaster und Telecaster, wobei die Les Paul (bzw. PRS Singlecut 594 McCarthy) mit den gängigen Pickup-Versionen Humbucker und P90 vorliegt, allerdings nur mit zwei Potis für beide Pickups. Die Strat hat einen reverse headstock und die Tele kommt als Thinline mit Resonanzraum daher. Edle Hölzer wurden verwendet und dabei entstanden elegante und zeitlose Schönheiten. Auf der Website sind neben Paula, Strat und Tele noch weitere Modelle zu finden, und offensichtlich kann man mit Mithans auch über eigene Vorstellungen sprechen.
Hochwertig verarbeitet sprechen die Instrumente sofort zur glücklichen Person, die sie in Händen hält. Auf Reverb werden die Gitarren für runde 3500 Euro gehandelt. Beim Testen bestach die Qualität sofort und die gesamte Zeit des Ausprobierens hindurch. Die Instrumente lagen gut in der Hand und einzig die Markierung beim 12. Bund in Form eines riesigen, über drei Bünde sich erstreckendes Baum-Logo war etwas gewöhnungsbedüftig. Es ist eine Schande, dass die Gitarren solcher hochwertig fertigenden Individualisten auf dem Second Hand Markt oftmals einen üblen Wertverlust erleiden, auf der anderen Seite kriegt man hier aus Erster Hand eine Gitarre, die sich vor den grossen Marken nicht zu verstecken braucht, und die ihren Preis in jeder Hinsicht wert ist.