Rapperswil Blues’n’Jazz 2019
Wetter’n’Stimmung
Das Blues’n’Jazz feierte in diesem Jahr seine 20. Ausgabe. Nach bescheidenen aber bereits qualitativ hochstehenden Anfängen im Jahr 1999 war das Rapperswiler Festival in diesem Jahr erneut mit drei Bühnen unterwegs. Wiederum wurde dem Publikum viel geboten und für stilistisch offene Bluesfans war das Festival erneut ein Genuss. Am Freitag war zudem das Wetter perfekt, und so kamen viele Leute, um sich die Auftritte von Marius Baer oder Sari Shorr anzusehen, aber vor allem für den grossen Namen des Abends: Stefan Eicher, der eine wahre Musikrevue auf die Grosse Bühne am Fischmarktplatz zauberte. Doch auch die kleinen und feinen Gigs wussten zu begeistern, und so war die 20. Ausgabe des Blues’n’Jazz ein weiteres Fest guter Musik und toller Stimmung am oberen Zürichsee. Ein Bericht vom Freitagabend.
Der erste Abend war geprägt von Wärme und einem sanft glühenden Himmel, und die drei Bühnen am Rapperswiler Blues’n’Jazz wurden bespielt von Bands mit grosser stilistische Bandbreite, aber ihren Wurzeln in der Schwarzen Musik der USA. Beispielsweise eröffnete der Appenzeller Newcomer Marius Baer, ausgezeichnet als nationales Nachwuchstalent, die Bühne am Fischmarktplatz mit seiner Band und seiner Stimme, die nur einen Vergleich zulässt: Joe Cocker. Wie der Mann aus Sheffield singt auch Baer aus den Tiefen seines Bauches kehlige und ursprüngliche Töne, die unter die Haut gehen. Ein Moment persönlicher Genugtuung muss es gewesen sein, als Baer dem Publikum erzählte, dass er vor 2 Jahren hier schon gespielt habe – heimlich an einer Strassenecke, ehe er dann des Festgeländes verwiesen wurde. Also jetzt auf der grossen Bühne, und mit dieser Stimme sind keine Hindernisse zu erkennen. Das Publikum am gut besuchten ersten Konzert dankte mit warmem Applaus.
Dominic Shoemaker spielte mit seinem Quartett am Curtiplatz auf der mittleren Bühne Gitarrenblues in der Tradition Buddy Guys und Stevie Ray Vaughans, gekonnt spielte der junge Berner Licks auf seiner weissen Strat, und die Tatsache, dass er eine Woche davor am Festival in Chicago gespielt hatte, minderte nichts an seiner Motivation oder Begeisterung. In jedem Fall wird gut unterhalten und das Publikum wippt mit. Schoemaker bringt Herz und Seele in jeden Lick, und so hat seine Musik nichts museales, obschon sie keine neuen Wege beschreitet, weil der persönliche Ausdruck mit Gitarre, Screamer und Fender Amp eine nie alt werdende Aktualität besitzt.
Auf der intimen Kleinbühne mit dem atemberaubendsten Backstage, dem Kapuzinerzipfel, eröffnete als Einzelmaske Attila Vural, ein Saitenmagier, der neben der Gitarre auch exotischere Instrumente wie eine zweihalsige Gitarre / Mandoline spielte und der die richtige Stimmung im Kapuzinerzipfel verbreitete: sanfte Klänge, feine Virtuosität, all dies war zu hören. Die einnehmende Persönlichkeit des Künstlers liess das Publikum an seinen Lippen und seinen Fingerspitzen hängen, während er seine Musik machte, die im engeren Sinne kaum als Blues zu bezeichnen ist.
Nach einer Pause kamen hier das Duo Irina & Jones zum Zuge, wobei Irina, eine Bernerin mit familiären Wurzeln im Kongo, den Gesang bestritt und der Multiinstrumentalist Jones die Begleitung spielte. Dazu spielte er nicht nur Gitarre, er bestritt mit Pauke und Trommel auch die Schlaginstrumente. Dieser Auftritt war so gut besucht, dass es am Kapuzinerzipfel kaum mehr ein Durchkommen gab. Trotzdem erzeugten die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer kein Gefühl der Bedrängnis, denn auch bei einer Massenpanik würde man in Rapperswil nicht zerdrückt – sondern bloss nass. Das Publikum genoss die soulbasierten Sangesklänge, die auch mal in Richtung Rap oder Reggae ausschwangen.
Stilistische Vielfalt ist nicht das Ding der Band am Curtiplatz. Die Band mit dem Namen The Rev. Peyton’s Big Damn Band macht nur eines – aber das mit atemberaubender Perfektion: rohen, schmutzigen, elektrisch verstärkten Country-Blues irgendwo zwischen Muddy Waters und ZZ Top. Überhaupt drängen sich Vergleiche der gar nicht so grossen Big Damn Band mit der «Little Ole’ Band from Texas» auf: hie wie dort ein Trio, der Sänger und Gitarrist mit ausgeprägter Liebe zum Slide mit einem mächtigen Bart ausgestattet, und wo der Bassist Dusty Hill heisst, hört die Waschbrettspielerin auf den Namen Breezy. «Washboard» Breezy Peyton ist die Ehefrau des Reverend (der Abend des Konzertes sei angeblich deren 13. Hochzeitstag), und als dritter im Bund spielt Max Senteney ein Schlagzeug, dessen eine Trommel durch einen Plastikeimer ersetzt wurde. Dieses Trio, eine Art Hillbilly ZZ Top, stammt aus Indiana und der Reverend Payton tritt in Latzhosen auf und er spielt Instrumente, die «home-made» wirken.
Ihre Musik aber, mit der sie den Curtiplatz von 20:45 bis kurz nach 22 Uhr durchschüttelten, ist kompromisloser harter Blues, wie er in den 50er Jahren in Chicago zu hören gewesen sein muss. Treibend, aggressiv und getränkt mit Groove brachte das Trio die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Wippen, tanzen, mitklatschen, dass es nur so eine Freude war.
Der Act mit der grössten Prominenz war Stefan Eicher, der mit einer Traktorkestar genannten Begleitband auftrat, eine üppig ausgestattete Big Band (ich zählte drei Posaunen) und diese legten die Grundlage für eine Musik-Revue des Publikumsflüsterers Eicher. Der Fischmarktplatz war proppenvoll, ebenso wie die Zugangswege, aber Stefan Eicher machte den Eindruck, als spiele er für jede und jeden einzeln. Ein musikalischer Grand Seigneur, dem eine solche Band zusteht.