19.Blues Festival Basel - Bericht
Gelungenes Bluesfest am Rheinknie
Traditionell eröffnete das Festival mit der Promo Blues Night, dem seit Jahren bei Publikum und Musikern beliebten Förderprogramm. Als beste Band wurde das Flo Bauer Blues Project ausgezeichnet, die in der kommenden Jubiläumsausgabe des Bluesfestivals Basel am zweiten Abend des Festivals auf den Konzertreigen einstimmen wird. Der Estrella Benedetti Band, dem letztjährigen Gewinner des Nachwuchswettbewerbs, kam dieses Jahr diese Aufgabe zu.
Die Gruppe um die temperamentvolle Luzernerin konnte, anders als in ihrem letztjährigen Auftritt an der Swiss Blues Challenge , bis gegen die Mitte ihres Sets nicht so recht überzeugen. Die Band wirkte zerstreut, fand erst spät zueinander und die Arrangements unaufgeräumt.
Einen ersten Höhepunkt bildete der Auftritt der Blind Boys Of Alabama. Wenn der zuweilen arg strapazierte Ausdruck Legende passt, dann auf diese älteren Herren, die schon mit den ersten Klängen das Publikum in die Tasche steckten. Ihr Frontmann, Jimmy Carter, immerhin 87 Jahre alt, unterhielt mit schmunzelnden Ansagen und die Gruppe brachte für eine gute Stunde die Stimmung einer Baptistenkirche irgendwo in den Südstaaten ins Volkshaus und zelebrierte ein Gospelkonzert vom feinsten. Natürlich gab es keine musikalischen Überraschungen, was wohl auch niemand erwartete, aber ihr Set überzeugte rundum und war ein Trip in die Frühzeit des Blues, als kirchliche und weltliche Musik noch streng getrennt waren und Blues als Teufelsmusik galt.
Rockig ging es am dritten Abend zu. Sari Schorr, die Senkrechtstarterin der letzten drei Jahre, demonstrierte, weshalb der Produzent Mike Vernon quasi vom Fleck weg mit ihr ein Album (Force Of Nature, 2016) produzieren wollte, nachdem er nur einen Auftritt von ihr an der International Blues Challenge 2015 gesehen hatte. Eine Stimme zum Niederknien, ein Temperament das mitreisst und eine fantastische Band. Ein Höhepunkt war ihre Version von «Black Betty» Das vor allem durch Leadbelly bekannt gewordenen Arbeiterlied existiert in zahlreichen, Rockversionen, die meisten davon lassen die Dramatik des Sklaven- und Zwangsarbeitersongs komplett vermissen, während es ihr gelingt den Bogen von der A-capella Version des frühen letzten Jahrhunderts zum zeitgenössischen Bluesrock zu schlagen.
Sari Schorr war im vergangenen Jahr mit Walter Trout auf Europatour, der auch an diesem Abend das zweite Set bestritt. Der Powergitarrist hatte in seinen frühen Jahren dem Alkohol zu sehr zugesprochen und sich damit seine Leber kaputtgesoffen, was ihn an den Rand des Todes brachte. Nach einer Lebertransplantation 2014, die dank einer Spendenaktion zustande kam, musste er von vorne anfangen und neu lernen, Gitarre zu spielen, was ihm mit eisernen Disziplin offensichtlich gelang. Seit 2015 ist er in seinem zweiten Leben wieder auf Tour, was er mit dem Luther Allison Song I’m Back und seinem eigenen Almost Gone wuchtig unterstrich. Eher zu wuchtig war überhaupt sein ganzes Set, es war so, als müsste er nachholen, was er in der Zeit seiner Krise verpasst hatte. Zweifellos ist er ein hochbegabter Virtuose, doch weniger wäre mehr gewesen. So war sein Gitarrenspiel vor allem eines: ausufernd.
Frauenpower war eines der Attribute, mit dem sich das Festival dieses Jahr ankündigte. «Wir wollten, dass jeden Abend eine Powerfrau auftritt.», so die offizielle Botschaft. Am Freitag standen mit Jane Lee Hooker gleich fünf davon auf der Bühne. Allerdings unterschieden sich die Bluesrockerinnen aus New York, die ausser dem Namen nichts mit John Lee Hooker zu tun haben, nur durch ein Fransenband am Mikrofonständer von einer Herrenband. Tapfer und ständig schüttelten sie ihre Mähnen und kopierten sämtliche Machogesten, die sich im Laufe der Jahre bei ihren männlichen Kollegen etabliert haben. Ebenso ist ihre Musik vorhersehbar, aber trotzdem war ihr Auftritt solide und unterhaltend.
Mit Sonny Landreth kam filigrane Perfektion auf die Bühne. Der vielfach ausgezeichnete Slidegitarrist aus Louisiana ist eine Klasse für sich. Hochkonzentriert zeigte er, was man mit dem Instrument alles machen kann. Er entlockte der Gitarre Töne, die man darin gar nicht vermutet, ohne dass es darum geht, einfach zu demonstrieren, was möglich ist. Die Klänge dienen immer dem Song. Er zeigte wie sehr die alte Erkenntnis ist, dass der Klang an den Fingern entsteht, denn all das geschieht ohne technische Tricks. Ihm zur Seite standen der Bassist David Ranson und der Drummer Brian Brignac, die durchgehend einen perfekten Groove hinlegten. Als Gast kam dann für einige Songs die finnische Slidegitarristin Erja Lyytinen dazu. Es war das erste Mal, dass die beiden zusammenspielten und es kam gut. Sie brachte zusätzlichen Schwung auf die Bühne und die beiden stachelten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Das fiepte und zirpte, mal klang es nach Violine, mal wie ein Dudelsack. Als Zugabe gab es eine herrliche Version des Klassikers Key To The Highway.
Der letzte Abend begann mit Selwyn Birchwood. Der Gitarrist aus Florida wird als einer der Musiker gehandelt, welche den Blues aus der Tradition in die Zukunft führen kann und er bewies eindrücklich, dass er dies auch kann. Zurückhaltend und ohne sich in den Vordergrund zu spielen, spielten er und seine grossartige Band attraktiven, modernen Blues, der gleichzeitig anspruchsvoll und unterhaltend war. Nicht umsonst haben ihn die renommierten Alligator Records unter Vertrag genommen, nachdem er 2013 die International Blues Challenge gewonnen hatte. Regi Oliver spielte Baritonsaxophon, ein Instrument, das leider viel zu selten zu hören ist und griff auch bei Birchwoods Trial By Fire, seinem erfolgreichsten Titel aus seinem 2017 erschienenen Album Pick Your Poison zur Querflöte. Schliesslich zeigte er auch noch seine Fähigkeiten an der Lap Steel Gitarre. «So klingt moderner Blues», war der Kommentar eines Zuhörers. Dem kann man nur zustimmen.
Eine weitere Legende kam mit Maria Muldaur ins Volkshaus nach Basel. Neben ihrer Band stand auch der Chicago-Basler Sam Burckhardt auf den Brettern, der seit Jahren quasi der Botschafter des Festivals in Chicago ist und jedes Jahr attraktive Künstler nach Basel lockt, um dem Chicago Blues seinen Platz zu sichern. Die 74 jährige steht aber auch für Rootsmusik, die sie seit den späten Sechzigerjahren entscheidend mitgeprägt hat und darüber hinaus für fast alle Spielarten des Blues, die sie verstreut über 40 Alben aufgenommen hat. Sie startete hier in Basel mit New Orleans Klängen und gab drei Titel von Allen Toussaint zu besten und natürlich durfte ihr grosser Erfolg Midnight At The Oasis nicht fehlen. Die routinierte Künstlerin war mit ihrer Routine und ihrem Charme problemlos in der Lage, ihr Publikum zu begeistern, auch wenn ihr ab und an eine Note missriet.
Alles in allem brachten Louis van der Haegen und sein Team ein Festival auf die Bühne, das rundweg überzeugte und an allen Abenden durchaus zurecht praktisch ausverkauft war. Im kommenden Jahr wird das Festival sein zwanzigstes Jubiläum feiern und wir dürfen gespannt sein, was die Basler auf die Beine stellen werden.