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Fontella Bass (1940 - 2012)

Fontella Bass (1940-2012)

Am Stephanstag ist im Alter von 72 Jahren die R&B/Blues- und Gospelsängerin Fontella Bass gestorben. Die ehemalige «Chess»-Künstlerin hatte 1965 ihren grössten Hit mit Rescue Me, aber sie war deswegen kein One-Trick-Pony. Fontella Bass hatte mehr zu bieten, sie spielte Klavier und sang mit einer reichen und vollen Stimme. Trotzdem blieb ihr der ganz grosse Erfolg versagt, und nach ihrem zweiten Solo-Album 1972 zog sie sich aus dem aktiven Musikbusiness zurück. Wie andere auch suchte sie zwischenzeitlich Erfolg in Paris, vor allem gemeinsam mit ihrem Ehemann, Jazz-Trompeter Lester Bowie (1941–1999).

Fontella Bass erlag in einem Hospiz in ihrem heimatlichen St. Louis den Folgen eines Herzinfarkts, den sie vor drei Wochen erlitten hatte. In den vergangenen Jahren hatte sie zudem mehrere Hirnschläge zu verkraften. Fontella Bass war die Tochter von Martha Bass, die in der Gospel-Formation Clara Ward Singers in der Kriegs- und frühen Nachkriegszeiten, und später als Solo-Künstlerin Erfolge feierte. Ihre Grossmutter Nevada Carter war ebenfalls Sängerin gewesen und somit waren auch die Geschwister ihrer Mutter alle Musiker, wie sie in einem Interview selbst sagte. Fontella war also für eine Musikerkarriere gebucht und sang auch schon als sechsjährige in der Kirche. Auch ihr Bruder David Peaston, der im Februar 2012 verstorben ist, wurde Musiker und feierte Erfolge in den 1980er und 90er Jahren. Fontella begann mit Auftritten in St. Louis im Alter von 17 Jahren, begleitete später Little Milton bei Aufnahmen für «Sun Records» und arbeitete dort auch mit Ike Turner. Mit Anfang 20 ging sie dann nach Chicago, wo sie am 25. Juni 1964 ihre erste Aufnahmesession für «Chess» absolvierte. Free At Last (Nicht das Spiritual) und You’ll Never Know erschienen auf einer Single, Don’t Mess Up A Good Thing und Baby What You Want Me to Do auf einer zweiten. Leonard Chess war fasziniert von ihrer professionellen Haltung. Zudem war sie bildschön, also eigentlich ein sicherer Wert für jedes Label.

Tatsächlich kam sie mit dem fetzigen Titel Rescue Me, der als Definition für perfekten R&B-Sound in einer Enzyklopädie zitiert werden könnte, an die Spitze der R&B Billboard-Charts, wo sie sich vier Wochen hielt und der ihr eine Grammy-Nomination einbrachte. In den Pop-Charts erreichte sie mit Rescue Me den vierten Platz. Fontella Bass nahm weitere Titel auf, konnte aber nie wieder an ihren ersten Erfolg anknüpfen. Rescue Me, den sie weitgehend selbst geschrieben hatte, wurde vielfach gecovert, von Linda Ronstadt bis Cher und Pat Benetar, ja selbst Aretha Franklin sang 1991 eine nur leicht abgewandelte Version (Deliver Me) als Webesong für «Pizza Hut».

1966 erschien ihr Album The New Look für «Chess», aber in der Folge erhielt sie einen schlechten Ruf als Störenfried, weil sie um ihre Autorenrechte und –royalties kämpfte. Nach dem, was man von Leonard Chess inzwischen weiss, scheint es plausibler zu glauben, dass dieser plante, wie bei «Chess» nicht unüblich, die Autorenrechte seiner erfolgreichen Titel zu klauen, um mehr Geld einzustreichen und seine Musiker übers Ohr zu hauen. Während dies mit Delta-Bluesern gelang, die froh waren, nicht mehr hinter dem Maultier her zu laufen, klappte das bei einer professionellen Sängerin in der Dritten Generation offenbar nicht mehr. Den Geschlechter- und Rassenverhältnissen der Zeit entsprechend wurde Fontella Bass dann als «trouble maker» abgestempelt (Der Gerichtsfall um die Autorenrechte wurde erst 1980 beigelegt).

Ihr zweites Album Free erschien 1972, war aber ein kommerzieller Misserfolg und Bass zog sich dann weitgehend aus der Musiker-Szene zurück. In den 1970er Jahren ging sie kurzzeitig nach Paris, zog aber bald wieder nach St. Louis zurück, wo sie mit Lester Bowie eine Familie gründete. 1995 nahm sie ein Gospel-Album auf mit dem Titel No Ways Tired, das ihr ebenfalls eine Grammy-Nomination einbrachte. Ihre letzte Aufnahme Travelin‘ erschien 2001 nachdem Interesse an der Frau durch eine Dokumentation auf PBS erneut angefacht wurde. In all ihren Aufnahmen fällt ihre wundervolle Stimme auf, die an Aretha Franklin erinnert, soulful, rund, weich und warm, aber doch mit dem Schmerz im Hintergrund, der für das «B» in R&B verantwortlich ist. Die frühen Aufnahmen sind auf einer Chess-Reissue erhältlich, und es sind durchwegs grossartige Aufnahmen und schöne Titel.

Videoliste:

Don’t Mess Up A Good Thing, gemeinsam mit Bobby McLure

Ein später Auftritt aus dem Jahr 2003, auf dem sie in Begleitung eines Gospel-Songs auch Klavier spielt